Durch das Tal des Todes zur legendären RULT-Strecke

Eine Woche habe ich nach der Favoriten-Umrundung ausgelassen, vor ein paar Tagen (am Freitag, dem 11.8., um genau zu sein) war es dann so weit und die nächste Runde – und zwar jene um Hietzing herum – stand auf meinem Programm. Man sollte ja glauben, dass man aus seinen Fehlern lernt… Hm, wie auch schon zwei Wochen vorher habe ich wenige Tage vor der geplanten Bezirksumrundung einem Lauf von meinem Elternhaus aus auf den Buschberg und zurück nicht widerstehen können. Wieder war dieser 18,irgendwas Kilometer lang, garniert mit ungefähr 350 Höhenmeter. Und dieses Mal fand dieser Lauf in einer kurzen Schlechtwetterphase statt, bei eher kühlen und windigen Verhältnissen. Bestens geeignet also, um es ein wenig krachen zu lassen – war super, vor allem bergab hat es großen Spaß gemacht. Ein Flachlandindianer wie ich muss solche Taten (wie auch schon zwei Wochen davor) allerdings mit großer Zuverlässigkeit büßen, vor allem das schnelle Bergablaufen hinterlässt Spuren – Muskelkater, linkes Knie beleidigt, rechte Leisten wieder mal lädiert. Der einzige Unterschied zum Vorprogramm der Favoriten-Umrundung bestand darin, dass der dieswöchige Zerstörungslauf bereits einen Tag früher stattgefunden hat, also am Dienstag. Bis Freitag war dann alles mehr oder weniger ausgeheilt und ich fühlte mich (nicht superfit, aber zumindest) fit genug, um die Hietzing-Umrundung anzugehen.

Start und Ziel dieser Runde war die U4-Station Schönbrunn. Vor dieser hatte ich mein Rad geparkt. Meine Bedenken, mein Rad irgendwo im öffentlichen Raum stundenlang abzustellen, bestehen mittlerweile nicht mehr wirklich, beim ersten Mal (während der Währing-Umrundung) hatte ich diesbezüglich ja ein wenig Bauchweh. Ich muss aber gestehen, dass mein treuer Drahtesel wohl auch nicht wirklich zur illegalen Mitnahme einlädt. Ungefähr 16000 Kilometer hat er auf dem Buckel und dreckig ist er eigentlich auch immer – da gibt es wohl wahrlich attraktiveres Diebesgut. Wie auch immer, um viertel drei war ich quasi startklar, also (nachdem der Sommer just an diesem Tag wieder zurückkehrte) in der schönsten Nachmittagshitze. Wirklich heiß war es – wenn man die jüngsten Hitzewellen als Maßstab heranzieht – zwar eigentlich nicht, aber 26 bis 28 Grad bei wolkenfreiem Himmel waren schon recht warm, eigentlich deutlich zu warm für einen voraussichtlich mindestens 3 1/2 Stunden langen Lauf. Das ließ sich aber nicht ändern, c’est la vie.

Die Strecke bzw. die Navigation waren grundsätzlich relativ einfach. Zunächst ging es das Wiental raus bis zum Bahnhof „Wolf in der Au“, dann über die Brücke rüber zum Lainzer Tiergarten. In weiterer Folge musste ich entlang der Mauer des Lainzer Tiergartens laufen und somit der Strecke „Rund um den Lainzer Tiergarten“ (kurz: RULT) folgen, die in der Wiener Trailrunning- und Mountainbike-Szene quasi Legendenstatus innehat. Die Wittgensteinstraße würde mich dann wieder in die Zivilisation bringen und über ein paar weitere Straßen und Gassen sollte ich am Ende zurück zur Grünbergstraße und letztlich zum Ziel gelangen.

Die erste Etappe führte mich also die Wien entlang aus der Stadt raus. Theoretisch verläuft die Grenze neben deren linken Ufer (wenn man sich – so wie ich an diesem Tag – stadtauswärts bewegt), allerdings gibt es ja ab der Kennedybrücke am anderen Ufer den Wientalradweg und diesen zu benutzen war quasi aufgelegt. Ich bin also „ebenerdig“ vom Startpunkt zur Kennedybrücke gelaufen und dort dann einen Stock runter zum Rad- und Gehweg am Wienfluss. Kleiner Nostalgieeinschub: Als ich das unten abgebildete Foto der Kennedybrücke gemacht habe, wurde mir tatsächlich ein wenig warm ums Herz, war dieser kleine Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs im Westen Wiens – hier treffen sich die U4, die Straßenbahnlinien 10 und 60 (früher auch der 58er), sowie einige Buslinien – „meine“ Umstiegsstelle; vor allem als ich in der Wenzgasse die Unterstufe besucht habe und dann während des Doktoratsstudiums, als ich wieder in Penzing gewohnt habe. Ob es tatsächlich eine gute Idee war, an diesem Tag die knapp 6 Kilometer raus zum Auhof da unten zu laufen? Im Nachhinein lautet die Antwort auf diese Frage wohl eher „nein“. Aus zwei Gründen und beide haben mit der Einkesselung zu tun, der man sich da aussetzt. Also, erstens der Wind. So gut wie jeder, der mal am Vienna City Marathon teilgenommen hat, kann einen Trauermarsch vom fast immer aus dem Westen wehenden Wind entlang der Wienzeile summen. Das ist ein Stückerl weiter draußen nicht anders – und unten im und um das Flussbett der Wien herum hat man noch einen schönen Kanalisierungseffekt. Die ganze Zeit durfte ich also eine warme Brise von vorn genießen. Noch deutlich unangenehmer war allerdings das Death Valley-Feeling während dieses Abschnitts. Die Lufttemperatur war an sich nicht so dramatisch, aber unter mir Beton (und/oder Steine), links von mir Beton (und/oder Steine), rechts von mir Beton (und/oder Steine). Am Ende des Abschnitts entlang des Wienflusses angekommen (nach einer knappen Dreiviertelstunde), war ich quasi durchgebacken und fast vom ersten Schritt weg deutlich langsamer unterwegs als gedacht.

Startpunkt bei der U4-Station Schönbrunn, der Eingang zum Schlosspark, Kennedybrücke, Wienfluss-Idylle und schließlich mein erster Halt bei einem Trinkbrunnen.

Ab hier ging es zunächst über das Rückhaltebecken Auhof, via Wiener Steg über die Westeinfahrt, dann sanft ansteigend, recht bald aber ordentlich steil bergauf entlang der Mauer des Lainzer Tiergartens. Wie bereits erwähnt, war ich nun auf der legendären RULT-Strecke unterwegs. Weil es ziemlich warm war, fasste ich noch vor den wirklich steilen Passagen den Entschluss, dass ich bergauf ausnahmslos gehen würde, um nicht vorzeitig zu explodieren. Vor allem das letzte Stück rauf zum Dreihufeisenberg hatte es in sich, laufen wäre kaum schneller als gehen gewesen.

Mauer, Mauer, Mauer, soweit das Auge reicht. Rechts unten der Blick runter vom Dreihufeisenberg auf die zurückgelegte Strecke.

Rein theoretisch hätte ich nun innerhalb der Mauer am Dachsgschleifweg entlang der Wiener Stadtgrenze laufen müssen. Tatsächlich war das aber keine Option, weil ich dafür einerseits über die Mauer hätte klettern müssen, andererseits gilt innerhalb des Lainzer Tiergartens Wegegebot und gegen dieses hätte ich wohl mehrfach verstoßen müssen – selbst der erwähnte Dachsgschleifweg ist (obwohl er in der Karte eingezeichnet ist) eher sowas wie ein Trampelpfad mitten durchs Gemüse. Insofern bin ich knapp außerhalb der Mauer geblieben und habe eine teilweise recht große Abweichung zur Grenze in Kauf genommen. Es ging also nach dem Dreihufeisenberg gleich wieder steil runter in Richtung Laaber Tor. Auch bergab war ich recht langsam unterwegs – aus Sicherheitsgründen, weil ich meine Oberschenkel nicht frühzeitig zerstören wollte und weil die Strecke um diese Jahreszeit schnelles Laufen auch gar nicht wirklich zuließ. Der Weg war als solcher wohl gut erkenn- und belaufbar, aber dennoch einigermaßen zugewachsen. Vielleicht wäre ich bei besserer Streckenkenntnis flotter gewesen, aber mir war in dem Moment ein Genuss- bzw. Entdeckungslauf deutlich lieber. Ich war dann relativ glücklich, das Laaber Tor erreicht zu haben, weil dahinter versteckte sich ein Trinkbrunnen und ich konnte meine (bereits zur Neige gegangenen) Trinkwasservorräte wieder auffüllen.

Hinter dem Laaber Tor.

Meine weitere Strecke entlang der Mauer des Lainzer Tiergartens hieß dann irgendwann Planetenweg. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat – abgesehen davon, dass in regelmäßigen Abständen Info-Tafeln jeweils einem Planeten gewidmet sind. Jedenfalls folgte beim Gütenbachtor aufgrund des dort befindlichen Trinkbrunnens mein nächster Zwischenstopp und kurz danach ging es noch ein letztes Mal spürbar bergauf, und zwar zum Faßlberg. Irgendwann, ungefähr 2 Stunden und 10 Minuten, nachdem ich die Mauer des Lainzer Tiergartens erstmals zu meiner Linken erblickte, bin ich diese mit dem Erreichen der Wittgensteinstraße auch wieder losgeworden. Die Zeit war eindeutig reif dafür.

Der restliche Weg am Rand des Lainzer Tiergartens bis zum Anfang der Wittgensteinstraße (wo sich ein schöner Panoramablick offenbart hat).

Der letzte Abschnitt meiner Hietzing-Runde führte mich zunächst an der Grenze zum 23. Bezirk durch ein paar kleinere Gassen und über den Rosenhügel zur Atzgersdorfer Straße und dann entlang dieser an der Grenze zum 12. Bezirk vorbei am Hietzinger Bad (inklusive Trinkbrunnen!) zur Fasangartenstraße, zur Maria-Theresien-Kaserne und dann endlich zur Grünbergstraße, die mich zurück zur U4-Station Schönbrunn brachte.

Finally…

Insgesamt war ich 3:50:49 Stunden in Bewegung, wobei man davon schätzungsweise nochmal 5 bis 10 Minuten abziehen kann, weil meine Uhr (bzw. eigentlich die Auswertungssoftware) hin und wieder Stehzeiten als sehr langsames Gehen interpretiert hat – auf der Atzgersdorfer Straße ist das z.B. definitiv passiert, als ich bei einer roten Ampel gewartet habe. Eh wurscht, die 30,75 Kilometer lange Runde hat wie vermutet zwischen 3 1/2 und 4 Stunden gedauert und ich war froh, es geschafft zu haben.

Exakte Grenze von Hietzing (in Rot) und mein GPS-Track (in Blau) – bis auf das unvermeidbare Eck im Südwesten haben sich die Abweichungen in Grenzen gehalten.

Landschaftlich war die Runde durchaus schön und abwechslungsreich und aufgrund der teilweise steilen Anstiege ziemlich anstrengend. Lediglich das letzte Stück nach dem Lainzer Tiergarten war verzichtbar, wobei ich zu diesem Zeitpunkt halt auch schon ordentlich paniert war und nur mehr das Ende herbeisehnte. Die klimatischen Umstände waren jedenfalls alles andere als günstig. Normalerweise bin ich nicht sehr empfindlich, was sommerliche Bedingungen beim Laufen betrifft, aber an diesem Tag habe ich ziemlich gelitten. Eine Runde, nämlich jene um Hernals, hätte ich mir für August noch vorgenommen und nächste Woche hätte ich dafür voraussichtlich auch Zeit. Nachdem es laut Wetterprognosen durchwegs hochsommerlich sein wird, glaube ich aber fast, dass ich diesen Irrsinn erst im Herbst bzw. Spätsommer (jedenfalls bei kühleren Bedingungen) fortsetze.

Und eine Sache gibt es, die ich noch gar nicht erwähnt habe. Ich habe viel geschwitzt und viel getrunken, sicherlich 5 bis 6 Liter Wasser. Beim ersten Trinkbrunnen, dem ich begegnet bin (im Bereich Auhof, unmittelbar nach Verlassen des Weges entlang des Wienflusses), habe ich gleich groß zugeschlagen und mir 3 bis 4 Becher auf Ex hinter die Binde gekippt. Keine Ahnung, ob das Wasser aus diesem Trinkbrunnen irgendwie verunreinigt oder einfach mein Magen (aus welchem Grund auch immer) überempfindlich war, jedenfalls war mir kurz später schlecht und das hat sich bis zum Ende der Runde nicht mehr gebessert. Nach jeder Trinkpause hat es in mir gegluckert und rumort und einige Male hatte ich die Befürchtung, dass es nun gleich soweit ist und ich mich zum ersten Mal in meinem Leben beim Laufen übergeben muss. Das ist glücklicherweise nicht passiert, aber schön war das nicht.

Nachdem ich die zwei letzten Bezirksumrundungen als eher beschwerlich in Erinnerung habe und der Spaß während des Laufens nicht immer groß war, wäre ich nun wieder bereit für ein voll und ganz positives Lauferlebnis. Hoffentlich erfüllt mir Hernals diesen Wunsch!

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