Manchmal macht es auch keinen Spaß

So wie in der Woche davor hat es sich auch letzte Woche (also in der KW 30) angeboten, am Nachmittag des Freitags eine Bezirksumrundung anzugehen. Hernals, Favoriten und Hietzing standen zur Auswahl. Hietzing habe ich (ohne bestimmten Grund) recht schnell verworfen. Blieben also noch Hernals und Favoriten…hm…schwierig…letztlich habe ich quasi gedanklich eine Münze geworfen – die Entscheidung fiel auf Favoriten.

Die Voraussetzungen für einen Lauf, der länger als drei Stunden dauern würde, waren an diesem Tag nicht besonders gut. Erstens bin ich zwei Tage davor im nördlichen Weinviertel auf den Buschberg gelaufen. Gut, die Besteigung (oder in meinem Fall Belaufung) des Buschbergs ist nicht unbedingt eine hochalpine Herausforderung. Nichtsdestotrotz beinhaltet der Weg zum Gipfel ein paar giftige Anstiege, die ich dieses Mal ausnahmslos gelaufen bin. Das im Nachhinein wesentlich größere Problem war aber, dass ich Lust hatte, es bergab ordentlich rollen zu lassen. Die drei oder vier Kilometer, auf denen es gut laufbar vom Buschberg runter geht, haben dann gereicht, um meine Oberschenkel ein wenig zu zerstören. Soll heißen: am Donnerstag hab ich es schon gespürt, am Freitag stand der Muskelkater in voller Blüte. Nicht so super. Zweitens war ich am Donnerstag allergiemäßig ordentlich bedient, mit rinnender Nase, Niesattacken und tränenden Augen. Am Freitag waren diese Symptome eigentlich wieder weg, so ganz fit habe ich mich aber noch nicht gefühlt. Und drittens – das mag aber auch eine Konsequenz aus Erstens und Zweitens sein – war ich zwar motiviert, den nächsten Bezirk abzuhaken, hatte aber eigentlich gar keine Lust, mich stundenlang abzurackern. „Was soll’s“ dachte ich mir im Endeffekt, die Laufsachen hatte ich mit, Zeit für eine mehrstündige Laufexpedition hatte ich auch, man muss die Feste feiern, wie sie fallen…

Ein paar Worte zur Runde selbst: Die Strecke um den 10. Bezirk herum war für mich so etwas wie ein Lauf (oder doch eher ein Drama?) in drei Akten. Als Start- und Zielpunkt hatte ich den Hauptbahnhof auserkoren, an der Ecke Wiedner Gürtel / Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße – einfach, weil diese Stelle mit dem Rad für mich am einfachsten zu erreichen war (die Argentinierstraße rauf und fertig). Erster Akt: Lauter Streckenabschnitte, die ich bereits kannte, und zwar von den Umrundungen der Wieden, von Margareten und von Meidling. Zweiter Akt: Große Industriegebiete, Gleisanlagen, Bahnhöfe und Autobahnen dominieren die Strecke, die Streckenführung hatte ich mir natürlich gut überlegt, es gab aber ein paar (bedrohliche) Fragezeichen. Dritter Akt: der Schluss-„Sprint“ würde wiederum auf (von den Umrundungen von Simmering und der Landstraße) bekanntem Territorium erfolgen, zumindest die Navigation sollte am Ende also kein Problem mehr sein.

Hier ging es los, mein Rad (das mit der roten Klingel) musste nun stark sein und ein paar Stunden auf mich warten.

So, los ging es um halb vier, wettermäßig hat es eigentlich recht gut ausgeschaut: bewölkt, zwar windig, dafür nicht so heiß. Das war aber ein Trugschluss – der Wind hat den Umstand, dass es dennoch knapp 30 Grad hatte, ein wenig versteckt. Der erste Abschnitt am Gürtel war unlustig – Baustellen haben an zwei Stellen mehr oder weniger großräumiges Ausweichen notwendig gemacht, worauf ich gerne verzichtet hätte. Danach ging es halt so dahin, bis ich in die Längenfeldgasse gebogen bin. Hier, also bereits nach gerade mal nach 3,irgendwas Kilometer, war mir bereits klar, dass das ein höchst mühevolles Unterfangen werden würde. Auf einem kurzen Bergaufstück hat meine Herzfrequenz trotz bewusst niedriger Geschwindigkeit erstmals die 150er-Schranke durchbrochen und locker hat es sich schon in der Frühphase des Laufs nicht angefühlt. Weiter ging es zur Wienerbergstraße, dann runter zum Schöpfwerk und dann die Strecke der Badner Bahn entlang bis zur Gutheil-Schoder-Gasse. Hier war nun der erste Akt nach knapp 39 Minuten beendet. Zwar war es mühsamer als erwartet, aber immerhin war ich (wie erhofft) mit sub-6er-Schnitt unterwegs und der Puls mit durchschnittlich 143 bpm auch im Rahmen. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich zwischendurch bereits recht konkret darüber nachgedacht hatte, den Lauf abzubrechen.

Den zweiten Akt kann man, so rein dramaturgisch gesehen, eigentlich fast weiter unterteilen in zumindest drei Unterabschnitte. Szene 1, um bei der Theater-Analogie zu bleiben, hat auf ausgeschilderten Stadtwanderwegen stattgefunden, auf gut laufbarem Untergrund in Parks, Grünstreifen, kleinen Seitengassen und dergleichen. Bereits hier war es so (und das sollte sich nun für einige Zeit nicht ändern), dass die Bezirksgrenze quasi unerreichbar war, weil sie durch den Frachtenbahnhof Inzersdorf, entlang der Südosttangente, durch Industrieparks oder mitten durch Wohnanlagen führte. Es war also nur möglich, mich an der Grenze entlangzuschlängeln, einmal nördlich davon zu laufen und dann wieder südlich davon. An einer Stelle habe ich entschieden, von meiner ursprünglich geplanten Route abzuweichen und eine größere Streckenabweichung in Kauf zu nehmen. Und zwar meinte der Strava-Routenplaner, dass ich durchaus die (mir bis dahin unbekannte) Domanigasse durch einen Industriepark entlanglaufen und diese am von mir aus gesehen anderen Ende auch wieder verlassen könne. In der Realität hat sich mir aber gleich am Anfang dieser Gasse ein „Einfahrt verboten“-Schild mit dem zusätzlichen Aufdruck „Privatgrund“ in den Weg gestellt. So 100%ig ist mir nach wie vor nicht klar, ob „Einfahrt verboten“ bedeutet, dass man den Grund auch zu Fuß nicht betreten darf, aber weil ich nicht riskieren wollte, irgendwann vor einem verschlossenen Tor zu stehen, bin ich dann doch lieber außen herumgelaufen.

Nach der Überquerung der Laxenburger Straße habe ich dann quasi den Rand der Per-Albin-Hansson-Siedlung touchiert (glaube ich zumindest) und bin südlich abgebogen in Richtung Liesing. Bei dieser angekommen, folgte das erste der zuvor angedeuteten Fragezeichen. Erlaubt es der aktuelle Wasserstand der Liesing, den Bach zu durchqueren oder nicht? Man kann wohl sagen, dass es sich haarscharf ausgegangen ist. Genau an jener Stelle, bei der ich den Bach erreichte, ragten ein paar Steine nur wenige Zentimeter aus dem Wasser heraus. Todesmutig bin also auf die andere Seite balanciert. Es hat vermutlich relativ lächerlich ausgeschaut, wie ich da mit höchster Konzentration von Stein zu Stein gestiegen bin, so als ob mich bei einem Fehltritt die pechschwarze Tiefsee verschlucken würde. Ich hätte nämlich auch einfach durch den (vermutlich 10 oder 15 Zentimeter tiefen Bach) waten können, aber mir war es lieber, trocken zu bleiben, vor allem weil Laufen mit nassen Füßen zu schmerzhafter Blasenbildung führen kann (im Selbstversuch getestet, nicht schön). Auf der anderen Seite der Liesing folgte bald ein jäher Szenenwechsel.

Hier ging es rüber – ich schätze, dass der Bach hier ungefähr 2 Meter breit war.

Zunächst ging es auf dem Weg runter zur südlichen Grenze von Favoriten (und gleichzeitig auch von Wien), entlang der Pottendorfer Linie, vorbei an der Kleingartenanlage Liesingbach. Und dann folgte gleich das zweite große Fragezeichen. Und zwar stand ich nun vor den Toren des Güterzentrums Wien Süd. Im Vorfeld hatte ich diesbezüglich ein mulmiges Gefühl, weil mich meine Route eine Weile entlang der Straße durch das Güterzentrum laufen ließ, um mich bei Erreichen der südlichen Bezirksgrenze aus diesem über einen Seiteneingang wieder hinauszuführen. Hm. Das Schild bei der Einfahrt hat meine Zweifel zusätzlich genährt, war aber ein wenig widersprüchlich – zumindest habe ich es in dieser Situation so gesehen…sehen wollen. Einerseits stand da, dass das Befahren durch Unbefugte untersagt ist, andererseits, dass Eltern für ihre Kinder haften (was ja impliziert, dass sich Kinder oder andere Menschen irgendwie drinnen aufhalten können müssen). Nachdem mir spontan keine alternative Route eingefallen ist, bin ich reingelaufen und habe gehofft, damit kein allzu schweres Verbrechen zu begehen (oder im besten Fall natürlich gar keines) – ich würde ja eh nach ein paar Minuten wieder draußen sein und reger Betrieb hat auch keiner mehr geherrscht, eigentlich gar keiner (es war keine Menschenseele zu sehen). Bei meinem planmäßigen Weg aus der Anlage hat mich dann ein verschlossenes Tor erwartet. Damit habe ich eher nicht gerechnet. Zurücklaufen wollte ich nicht (die Runde war auch so schon lang und mühsam genug) und über das (schätzungsweise 1,80 Meter hohe) Tor zu klettern war keine Option bzw. war mir die Verletzungsgefahr dabei zu groß (abgesehen davon, dass meine Erfolgsaussichten bei dieser Unternehmung ohnehin nicht sehr gut gewesen wären). Glücklicherweise war die seitliche Begrenzung neben dem Tor ein recht locker gespannter Drahtzaun und ich konnte mich quasi am Tor vorbeidrücken ohne mich oder den Zaun zu beschädigen. Glück im Unglück gehabt. Im Nachhinein bereue ich meine Blauäugigkeit (hinsichtlich meiner Kritiklosigkeit gegenüber der generierten Route) aber ehrlich gesagt, weil ich möchte (wie schon mehrfach geschrieben) für meine Bezirksumrundungen eigentlich nichts ausdrücklich Verbotenes machen. Diese Episode hat mir recht deutlich vor Augen geführt, dass man im Eifer des Gefechts nicht unbedingt die besten Entscheidungen trifft, und wie wichtig eine gute Routenplanung im Vorfeld ist. Ich habe nun nochmals recherchiert – offenbar ist die Anlage für Besucher zugänglich (ich vermute mal im Rahmen von Schulexkursionen oder anderen geführten Besichtigungen), allerdings muss man solche Besuche vorher anmelden. Für die Umrundung des 23. Bezirks, im Rahmen derer ich ebenfalls diese Stelle irgendwie bewältigen muss, werde ich mir jedenfalls eine alternative Route überlegen, wahrscheinlich umkurve ich das Güterzentrum einfach auf dessen anderer Seite.

In weiterer Folge ging es für einige Zeit entlang der S1 dahin. Dieser Teil der Strecke war relativ trostlos und unspektakulär – die nördlich und südlich der S1 befindlichen Wege liegen teilweise auf, vielfach aber auch neben der eigentlichen Bezirksgrenze, andere (sinnvolle) Möglichkeiten gab es hier aber nicht wirklich. Mein nächstes Zwischenziel war jedenfalls der Spielplatz in Kledering – nicht, weil dieser an der Grenze von Favoriten liegt, sondern weil ich dort endlich wieder einen Trinkwasserbrunnen vorfinden würde. Dieser Abstecher war zwar gleichbedeutend mit einem Umweg von etwa einem Kilometer, aber definitiv notwendig. Danach musste ich noch ein paar Minuten laufen, um an die Grenze zu Simmering zu gelangen. Kurz vorher war aber noch eine Entscheidung zu treffen. Am nördlichen Eingang des Zentralverschiebebahnhofs Wien-Kledering ist, wie ich von der Simmering-Runde weiß, ein Schild angebracht, auf dem zu lesen ist, dass das gesamte Gebiet Privatgrund ist, weswegen ich dieses damals auch nicht betreten habe. Am südlichen Ende – und bei diesem stand ich nun – konnte ich aber kein derartiges Schild erspähen. Ein wenig traumatisiert von meiner noch recht frischen Erfahrung beim und im Güterzentrum Wien Süd habe ich aber auf die direktere und grenznähere Route durch den Bahnhof verzichtet und bin wieder entlang des Zentralfriedhofs gelaufen, sicher ist sicher. Der über 17 Kilometer lange zweite Abschnitt meiner Runde dauerte etwas mehr als 1:45 Stunden – Tempo und Laune befanden sich im Vergleich zum ersten Abschnitt im steilen Sinkflug, ehrlich gesagt war ich bereits ziemlich im Eck und wollte nur mehr „heim“.

Nicht viel los ganz unten in Favoriten…

Der dritte Akt war ein abschließendes Trauerspiel, von einem Happy End würde ich eher nicht reden. Den Weg kannte ich ja bereits – lediglich bei der Gadnergassenbrücke habe ich (im Gegensatz zu meiner Streckenwahl bei der Simmering-Runde) die Schleifen, über die man mit dem Auto die Brücke befahren kann, abgekürzt und bin die steile Böschung rauf- bzw. am anderen Ende der Brücke wieder runtergeklettert und konnte dadurch die Strecke ein wenig abkürzen. Dann ging es so direkt wie möglich entlang der Ostbahnstrecke zurück zum Hauptbahnhof. Mittlerweile war ein 6er-Schnitt in weite Ferne gerückt, ich musste vielmehr kämpfen, um unter 7 min/km zu bleiben, ohne dass mein Puls dabei in unvernünftige Höhen schießt. Eine knappe Stunde habe ich für die letzten 8,6 Kilometer gebraucht, bei einer Herzfrequenz von nicht weniger als 154 bpm.

Links oben: südliches Ende von Favoriten an der Grenze zu Simmering; rechts oben: es geht dahin; links unten: wilde Brombeersträucher, wie ich sie liebe – die Dornen sieht man hier nicht; rechts unten: das Ziel (der Hauptbahnhof) bereits vor Augen.

Insgesamt brauchte ich für die knapp 33 Kilometer lange Runde 3 Stunden und 25 Minuten (und 8 Sekunden, wenn man ganz genau nehmen möchte). Macht also einen Schnitt von 6:13 min/km, bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 148 Schlägen pro Minute. Eigentlich eh gar nicht so schlecht, die Runde war ohnehin als ein gemütlicher Dauerlauf angelegt. Exakt eine Woche vorher bin ich aber bei ähnlichen Bedingungen bei der selben durchschnittlichen Herzfrequenz um fast eine halbe Minute schneller pro Kilometer gelaufen. Das ist viel. Insofern gehe ich eigentlich fix davon aus, dass irgendwas im Busch bzw. ich nicht ganz fit war – anders kann ich mir kaum erklären, dass ich mich derartig anstrengen musste. Ich war jedenfalls ziemlich fertig und froh, die Runde geschafft zu haben. Vernünftiger wäre es aber sicher gewesen, mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen und den Lauf zu verschieben.

Die exakte Grenze von Favoriten (in rot) und mein GPS-Track (in blau).

Jedenfalls bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich die diversen Gleisanlagen, Bahnhöfe, Häfen, Industriegebiete und Autobahnen an der südlichen Grenze Wiens nun fast erledigt habe – einmal, während der Liesing-Umrundung, muss ich mich für wenige Kilometer noch damit auseinandersetzen. Ansonsten war die Runde wie erwartet, landschaftlich nicht furchtbar, aber auch nicht wirklich schön. Auf jeden Fall war es über weite Strecken ziemlich monoton und fad. Das wird auf den nun folgenden Runden, also zunächst mal jene um Hernals und Hietzing, sicherlich wieder besser werden, wofür ich allerdings einen ordentlichen Preis in Form von vielen Höhenmetern zahlen muss. Ich freue mich trotzdem darauf!

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