Wenn’s rennt, dann rennt’s

Simmering und Favoriten gehören für mich irgendwie zusammen. Nicht nur geografisch, sondern als traditionelle Arbeiterbezirke auch milieumäßig – ohne das wertend zu meinen – und optisch – in beiden Bezirken sind die jeweils zentrumsnahen Teile dicht verbaut und für mein ästhetisches Empfinden nicht unbedingt schön (Euphemismus-Alarm!), wohingegen es in Richtung Stadtgrenze grüner und eigentlich ziemlich ländlich wird. Insofern wollte ich die Bezirke auch im Rahmen meines hirnrissigen Bezirksumrundungsprojekts hintereinander erledigen. Nach der Simmering-Runde sollte am vergangenen Freitag also nun die Favoriten-Runde folgen. Es war an besagtem Nachmittag zwar nicht ganz so heiß wie an den Tagen davor, dennoch musste ich mit sommerlich warmen Bedingungen zurechtkommen. Und nachdem fast die Hälfte der insgesamt ungefähr 30 Kilometer langen Favoriten-Runde durch die sprichwörtliche Pampa führt – entlang von Äckern, Industriegebieten oder irgendwelchen vielspurigen Gleisanlagen, ohne Trinkbrunnen oder Einkaufsmöglichkeiten – war mir klar, dass ich diesen Teil der Runde nur mit vollen Trinkwasservorräten in Angriff nehmen kann. Alles dafür Notwendige habe ich am Vorabend hergerichtet, fast alles davon habe ich mitgenommen. Vergessen habe ich Depp nämlich eine Sache – meine Laufweste. Und die ist nicht ganz unwesentlich, wenn man eine Trinkblase und zwei Softflasks mitnehmen möchte. Nachdem mich diese Erkenntnis während der Fahrt in die Arbeit wie ein Blitz getroffen hat, war ich mir eine Weile lang sicher, dass an diesem Tag keine Bezirksumrundung stattfinden würde. Nach der ersten Enttäuschung darüber habe ich aber einen kurzen Blick auf die verbleibenden Bezirke gewagt und erkannt, dass die Runde um den zweiten Bezirk dennoch eine Option wäre, aufgrund der ausreichend großen Trinkwasserbrunnendichte entlang der Strecke. Darüber hinaus hatte ich an diesem Tag zufälligerweise meine Salomon-Hose mit, die recht großzügigen Stauraum rund um den Hosenbund bietet, dh ich konnte Gels, Handy, Schlüssel und den Faltbecher in die Hose stopfen. Eine Softflask hatte ich zusätzlich auch noch mit – diese hatte zwar nicht ausreichend Platz in den Hosentaschen, aber es hat nicht wirklich gestört, sie die ganze Zeit über in der Hand zu halten. Also, der langen Einleitung kurzer Sinn: die Leopoldstadt statt Favoriten stand auf meinem Programm.

Von den verbleibenden (und zuletzt erledigten) Bezirken unterscheidet sich die Umrundung des zweiten Bezirks insofern deutlich von allen anderen Runden, als dass man wahrlich kein Spezialist im Orientierungslauf sein muss, um sie bewältigen zu können. Das ist zwar auch bei den anderen Bezirken nicht unbedingt notwendig, zuletzt war ich aber über weite Strecken mit dem Handy im Anschlag unterwegs (mit Blick auf die Route), weil es für mich unmöglich war und ist, mir die ganze Strecke um die großen Bezirke herum einzuprägen. Und bei den noch zu erledigenden Runden werde ich mich wohl ebenfalls auf diese Art fortbewegen (müssen). Die Grenzen der Leopoldstadt hingegen umfassen zwei lange „Geraden“, einerseits entlang des Donaukanals und andererseits auf der Donauinsel. Am südöstlichen Bezirksende ist der Weg zwischen Donaukanalufer und Donauinsel völlig komplikationsfrei und unmissverständlich, im Nordwesten des Bezirks, entlang der Grenze zur Brigittenau ist es auch nicht wirklich schwierig, sich die paar Gassen und Straßen zu merken, denen man folgen muss – außerdem kannte ich diese bereits von der Brigittenau-Umrundung. Mein Start (und Ziel) war die Urania, losgegangen ist es kurz vor halb vier.

Blick zurück zur Urania.

Abenteuerlich war die Runde um die Leopoldstadt nicht. Gar nicht. Fast eine Stunde lang bin ich dem Donaukanal bis zu dessen Mündung in die Donau gefolgt. Dann stand ich wieder einmal vor dem Problem, dass die Bezirksgrenze im rechten Winkel über die Donau führt, weswegen ich zurückgelaufen bin, um über die Freudenauer Hafenbrücke und die Kraftwerkbrücke Freudenau auf die Donauinsel zu gelangen. Dort bin ich dann brav nochmal stromabwärts zu jener Stelle gelaufen, an der ich dem Wasser entstiegen wäre, wenn ich denn die Donau entlang der Grenze durchschwommen hätte. So, und dann bin ich stromaufwärts auf der Donauinsel bis zur Brigittenauer Brücke gelaufen (wofür ich 1 Stunde und 10 Minuten gebraucht habe). Von dort ging es dann über Handelskai, Innstraße, Dresdner Straße, Taborstraße, Nordwestbahnstraße und um den Augarten herum bis zum Gaußplatz und schließlich zum Donaukanal zurück, um diesem dann bis zum Ziel bei der Urania zu folgen. Fertig. Ein paar Mal habe ich die Route gecheckt, um zu schauen, wo und wann ich dem nächsten Trinkbrunnen begegne, ansonsten hätte ich die Strecke auch auswendig geschafft.

Ein paar Schnappschüsse in chronologischer Reihenfolge…nicht wirklich spannend.

Im Endeffekt standen 34,09 Kilometer in 3:16:27 Stunden zu Buche, macht also einen Schnitt von 5:46 min/km. Dazwischen herumgestanden bin ich – obwohl Orientierungslosigkeit und Streckenstudium dieses Mal kein Thema waren – immerhin ungefähr 36 Minuten, was durchaus überraschend viel ist. Sechsmal bin ich bei Trinkbrunnen stehengeblieben und anscheinend haben die Trinkpausen dann doch jeweils ein paar Minuten gedauert. Ein paar kurze zusätzliche Fotostopps waren dabei und im 20. Bezirk bin ich drei oder vier Mal jeweils ein paar Minuten bei Ampeln gestanden. Es läppert sich halt dann doch einiges zusammen. Hinsichtlich der Streckengenauigkeit kann ich mich jedenfalls nicht beschweren. Gut, weder den Donaukanal noch die Donau habe ich durchschwommen, entlang eines kurzen Stücks am Donaukanal habe ich einen zur Bezirksgrenze leicht versetzten Weg dem undurchdringbaren Dickicht vorgezogen und auf der Donauinsel musste ich quasi durchgehend einige Meter Abweichung hinnehmen – die Grenze verläuft nämlich mehr oder weniger direkt am Donauufer. Aber all diese Umstände sind eben so und lassen sich nicht ändern. Insofern denke ich, die bestmögliche Route gefunden und befolgt zu haben.

Die exakte Grenze der Leopoldstadt (in rot) und mein GPS-Track (blau).

War – wenn schon die Runde selbst eher fad war – sonst irgendetwas bemerkenswert? Drei Sachen vielleicht. Einerseits war ich recht flott unterwegs für meine Verhältnisse. Ich bin mir sogar ziemlich sicher (ohne jetzt nachgeschaut zu haben), dass das mein schnellster Lauf über 30 Kilometer war. Ever. Ich habe mich vom ersten Schritt weg gut gefühlt, hatte zwischendurch zwar schon Bedenken, ob ich mein Anfangstempo am Ende nicht bereuen würde, konnte aber ziemlich konstant durchlaufen. Lediglich während des letzten Abschnitts am Donaukanal zurück zur Urania musste ich kämpfen. Möglicherweise ist mein „Elan“ an diesem Tag auch dadurch begründet, dass ich mich dieses Mal nicht durch Podcasts unterhalten ließ, sondern durch wesentlich motivierendere Musik. Ich war und bin jedenfalls sehr zufrieden.

Zweitens hat meine Trinkbrunnenstrategie gut funktioniert. Ich bin bei sechs Brunnen stehengeblieben, habe dort jeweils 2 bis 4 Becher getrunken und für die Strecke dazwischen jeweils noch meine Softflask angefüllt. Dh ich schätze, insgesamt etwa 5 bis 6 Liter Wasser getrunken zu haben. Das ist eine äußerst wertvolle Erkenntnis, weil ich auch bei vorhandener Laufweste nicht mal annähernd so viel Wasser mitnehmen kann und ich deswegen bei den kommenden Runden auf jeden Fall bei den an meiner Strecke liegenden Trinkbrunnen stehenbleiben muss oder, wenn ich länger an keinen Brunnen vorbeikomme, auch Umwege einplanen sollte. Anders wird es nicht gehen.

Danke, liebe Stadt Wien, für die zahlreichen Trinkbrunnen!

Und drittens war ich nach etwa 2 Stunden so durchgeschwitzt, dass es an mir keine trockene Stelle und kein Fuzerl trockenes Gewand mehr gegeben hat. Folglich war das Bedienen des Touchscreens meines Handys ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von Erfolg gekrönt. Kurz nachdem ich die Brigittenauer Brücke überquert hatte, begann es dann auch noch zu regnen. Zuerst nur leicht, dann hat es aber für ein paar Minuten so richtig geschüttet und ich war durch und durch nass. Das hat die Nichtbedienbarkeit meines Handys noch weiter verlängert. Einerseits war das schade, weil ich während des Regengusses coole Fotos machen hätte können (durch die außergewöhnliche Kombination aus starkem Regen und strahlendem Sonnenschein wären ein paar bemerkenswerte Motive entstanden), andererseits könnte übermäßige Feuchtigkeit (durch Schwitzen oder Regen) bei den kommenden Bezirken, deren Grenzen komplizierter sind, weshalb ein regelmäßiges Prüfen der gespeicherten Route erforderlich wird, problematisch werden. Ich sollte also in Betracht ziehen, zukünftig mein Handy in eine Plastikhülle zu packen.

Somit habe ich bereits 16 von 23 Bezirken erledigt – ich bin also voll im Plan. Ideal wäre es, wenn ich bis Ende August noch Favoriten, Hernals, Hietzing und vielleicht sogar Penzing schaffen würde. Dann blieben nur mehr die drei Ultra-Bezirke* für den Herbst übrig. Schau ma mal…

* Kleine Anmerkung: In Wahrheit ist ja nur die Grenze des 22. Bezirks länger als die klassische Marathon-Distanz. Aufgrund der diversen unvermeidbaren Umwege werden aber auch die Floridsdorf- und die Liesing-Umrundungen zu Ultraläufen. Deswegen „drei“!

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