Blair Witch Project-Vibes als Belohnung

Eins gleich mal vorweg: Mit meinem Lauf hat der Titel dieses Eintrags nichts zu tun, dazu später mehr. Eigentlich wollte ich die Umrundung von Döbling am Sonntag zeitig in der Früh unterbringen. Allerdings kenne ich mich selbst ja relativ gut und es war ziemlich vorhersehbar, dass ich am Sonntag nicht um 4 Uhr aus dem Bett springen würde, um ein paar Minuten später mit dem Auto zur Döblinger Bezirksgrenze zu fahren. Insofern dachte ich mir dann, dass es doch wesentlich aussichtsreicher sein würde, den Lauf um etwa 12 Stunden früher anzusetzen, also am späten Nachmittag bzw. frühen Abend des Samstags davor. Und weil unser Auto zu dieser Zeit vom Rest meiner Familie benötigt wurde und eine eineinhalbstündige Öffi-Fahrt keine Option war, schien mir eine gemütliche Anreise mit dem Rad eine gute Idee zu sein. Gemütlich war an der Anreise aber leider nichts – ein ziemlich lebhafter NW-Wind entlang der Donau hat aus der ca. 21 Kilometer langen Fahrt zum Bahnhof Wien Nussdorf, wo ich mein Rad abstellen wollte, eine ordentliche Quälerei gemacht. Meine Oberschenkel waren jedenfalls einigermaßen vorbelastet und die Fahrt hat wesentlich länger gedauert als ursprünglich vermutet. Die Voraussetzungen für einen voraussichtlich etwa 3 Stunden langen Lauf waren also nicht wirklich ideal.

Gestartet bin ich am Anfang des Donaukanals, oberhalb der Nussdorfer Schleuse. Gleich am Anfang meiner Döbling-Umrundung musste ich eine recht große Abweichung von der Bezirksgrenze hinnehmen. Die Grenze verläuft entlang des gegenüberliegenden Donauufers, also ungefähr 300 Meter von meiner Route entfernt. Aufgrund der nicht vorhandenen Brücken im Bereich der Döblinger Bezirksgrenze hätte ich, um der Grenze möglichst exakt zu folgen, über den Nordsteg auf die Donauinsel laufen müssen, hätte dann zwar recht genau der Grenze folgen können, aber dann den selben Weg wieder zurücklaufen müssen. So wären etwa 10 zusätzliche Kilometer zustande gekommen – das war es mir dann doch nicht wert. Ich bin also gestartet – mit am Anfang noch recht schweren Beinen vom Radfahren – die Donau entlang Richtung Klosterneuburg. Über die Kuchelauer Hafenbrücke konnte ich mich der Bezirksgrenze um etwa 40 Meter annähern und dann am östlichen Ufer des Kuchelauer Hafens (keine Ahnung, wie man diese künstlich angelegte „Landzunge“ korrekterweise bezeichnet) bis zur Stadtgrenze laufen. Dort bin ich über eine Böschung geklettert und in Richtung der Wiener Straße, also der meist stark befahrenen Straße, die von Wien nach Klosterneuburg (und umgekehrt) führt, gelaufen.

Links die Kuchelauer Hafenbrücke und rechts mein Weg entlang des Hafens mit Blick auf die Bezirksgrenze am anderen Ufer der Donau.

Hier musste ich noch ein zweites Mal eine signifikante Abweichung von der eigentlichen Bezirksgrenze in Kauf nehmen. Hätte ich mich über alle Regeln hinweggesetzt, hätte ich wohl durch einen Bauzaun schlupfen können, hätte auf die Trasse der Schnellbahnstrecke klettern und diese überqueren können, hätte dann über die Leitplanke steigen können und auf die andere Seite der Straße hätte ich es an dieser Stelle wohl auch irgendwie lebend geschafft. Man kann natürlich argumentieren, dass derartige Regelübertretungen unausweichlich sind, wenn man ein solches Projekt verfolgt. Andererseits hätte ich sowas wie Hausfriedensbruch begangen und mich zwei Mal einer nicht wirklich großen, aber auch nicht ganz kleinen Gefahr ausgesetzt. Und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob das überhaupt so funktioniert hätte oder mir im Bereich der Bahnstrecke nicht ein unüberwindbarer Graben oder ein Zaun im Weg gestanden wäre. Ich habe es jedenfalls vorgezogen, auf sicherem und legalem Weg um diese Stelle herum zu laufen. Ein paar Minuten hat mich das gekostet und schließlich bin ich an jener Stelle gelandet, die sowas wie die Crux der ganzen Runde war. Theoretisch sollte ich nämlich genau hier senkrecht raufklettern:

Die Grenze von Döbling (bzw. jene von Wien) verläuft hier senkrecht nach oben.

Im Vorfeld habe ich alternativ zu der Direttissima Wanderwege gefunden, die mich mit mehr oder weniger großen Abweichungen von der Bezirksgrenze ebenfalls nach oben gebracht hätten. Ich hatte jedenfalls wiederum beide Optionen als Route am Handy dabei, einerseits die exakte Strecke und andererseits die erwähnten Wanderwege. Zu meiner großen Überraschung gab es aber wenige Meter neben der Ideallinie einen kleinen, unscheinbaren Zustieg, der auf keiner der Karten, die ich für die Routenplanung studiert hatte, eingezeichnet war. In weiterer Folge sollte sich meine Entscheidung, für diese Umrundung auf Trailschuhe zu setzen (obwohl mindestens 50% der Strecke auf Asphalt verlaufen würden), als goldrichtig herausstellen. Mit normalen Laufschuhen wäre ich in den nun folgenden 30 bis 40 Minuten vollkommen chancenlos gewesen. Auf dem ersten Teil des Anstiegs ging es extrem steil hoch und ich musste öfter die Hände zur Hilfe nehmen. Offenbar hat sich aber jemand die Mühe gemacht, ziemlich genau entlang der Grenze einen Weg anzulegen. Ich bin dann auch bald draufgekommen, was es mit diesem Weg auf sich hat. Als ich mich gerade über einen besonders steilen Abschnitt hochhantelte, ist mir nämlich so eine Art Holzkonstruktion aufgefallen, deren Zweck sich mir von unten noch nicht wirklich erschloss. Oben angekommen war dann alles klar. Die Holzkonstruktion war eine Sprungschanze – ich bin einen MTB-Downhill-Parcour hochgeklettert! Möglicherweise existiert dieser offiziell gar nicht, weil ich auch im Nachhinein dazu keinerlei Infos finden konnte, keine Ahnung. Jedenfalls war ich relativ froh, dass mir hier kein Downhiller entgegengekommen ist, weil das hätte äußerst fatal enden können. Unglaublich aber, dass sich auf so einer Strecke jemand mit dem Rad runterwagt bzw. wie man hier auch nur irgendwie die Kontrolle behalten kann…

Die Steilheit kommt auf den Fotos leider nicht so wirklich rüber.

Eine Weile bin ich der MTB-Strecke dann noch gefolgt, nun aber mit stark erhöhter Vorsicht und immer so vorausschauend wie möglich. Nach ein paar weiteren Minuten habe ich einen meine Aufstiegsroute kreuzenden Weg und somit den Anfang des (legalen oder illegalen?) Downhill-Parcours erreicht. Bis zur Höhenstraße rauf bin ich dann weiterhin ziemlich exakt der Grenze gefolgt. Aufgrund des Umstands, dass die Bezirksgrenze hier auch gleichzeitig die Stadtgrenze ist, waren die entsprechenden Grenzsteine recht leicht zu finden und ich glaub auch gar nicht, dass ich hier verbotenerweise im Wald unterwegs war. Weg gab es zwar nun keinen mehr, aber an den Bäumen waren immer wieder Markierungen zu sehen, dh ich vermute (und hoffe), dass es sich hier schon um sowas wie eine ausgewiesene Wanderstrecke handelt. Im letzten Teil meines Aufstiegs ging es eine kleine Schlucht hoch. Während meines Aufenthalts dort habe ich mich einigermaßen über diese Geländeform gewundert. Es wirkt fast so, als hätte ein enormer Felssturz einen Graben den Hügel runtergezogen oder als hätte ein reißender, mittlerweile versiegter Gebirgsfluss hier ein großes Flussbett hinterlassen. Vermutlich ist beides nie passiert und das Gelände das Resultat von stinknormaler Gebirgsfaltung, aber es schaut halt jedenfalls so aus. Wie auch immer, im Endeffekt bin ich der Wildnis in der Nähe des Waldseilparks Kahlenberg entstiegen und war ehrlich gesagt fast ein wenig stolz, dass ich bergauf tatsächlich der Grenze mehr oder weniger exakt folgen konnte – das habe ich so nicht erwartet.

Der weitere Weg zur Höhenstraße rauf.

In weiterer Folge ging es den Höhenstraßenbegleitweg, den Grenzweg und den Stadtwanderweg entlang, also für ungefähr 7 Kilometer wellig dahin, mit einigen Anstiegen, die teilweise auch noch recht knackig waren, dh es waren weiterhin immer wieder mal Gehpassagen dabei. Bergab konnte ich nicht wirklich Tempo machen, was ein wenig enttäuschend war, um ehrlich zu sein. Einerseits war die Ermüdung schon durchaus spürbar und ich wollte mich nicht komplett abschießen. Andererseits bin ich mit meinen Inov-8 Parkclaw (für welche ich mich an diesem Tag entschieden hatte) schon ein paar hundert Kilometer gelaufen, es ist mir aber noch nie aufgefallen, dass die Sohle scheinbar recht feinfühlig ist. Dh ich habe jeden größeren Stein durchgespürt, was teilweise recht schmerzhaft war (und meine Fußsohlen waren auch noch am Tag danach ziemlich hinüber). Wo bin ich überall vorbeigekommen? Zunächst bin ich die Höhenstraße entlang gelaufen, dann bei der Sulzwiese auf den Grenzweg abgebogen, am Klosterwald vorbei, bin quasi rechts neben dem Vogelsangberg und Hermannskogel vorbeigelaufen, bin zwischendurch beim Gasthaus am Agnesbrünnl vorbeigekommen, ein wenig später beim Grüass die a Gott-Wirt und schließlich beim Häuserl am Roan.

Ein paar weitere Schnappschüsse vom Höhenstraßenbegleitweg und Grenzweg bzw. vom Parkplatz aus neben dem Häuserl am Roan – der Ausblick könnte wahrlich schlechter sein.

Ab hier sollte es fast nur mehr bergab gehen. Zuerst noch durch so einen recht steilen und nicht wirklich angenehm zu laufenden Hohlweg und dann noch ein weiteres kleines Wegerl runter, bis ich dann den Sommerhaidenweg erreicht habe, den ich ja bereits von meiner Währing-Runde kannte.

Abenddämmerung am Sommerhaidenweg.

Nun ging es also über mehr oder weniger bekannte Wege runter zum Gürtel, dann über die Gürtelbrücke zum Donaukanal und zurück zum Startpunkt. Ich hätte wirklich gedacht, dass ich es zumindest auf diesem Schlussabschnitt gut rollen lassen können würde (es ging entweder bergab oder eben dahin, alles mit gutem Untergrund), aber ich bin kaum unter 6 min/km gekommen. Einerseits aufgrund der Ermüdung, andererseits haben die Füße aus den beschriebenen Gründen (bzw. auch ein wenig mein linkes Knie) weh getan und die Sache mit den nur teilweise oder gar nicht rausgerechneten Stehpausen hat meine Aufzeichnungen natürlich auch wieder beeinflusst. Ich gelobe aber, diesen Umstand nun nicht mehr zu kommentieren – ist halt so. Kurz vor dem Gürtel war ich offenbar im falschen Augenblick unkonzentriert, habe eine Abzweigung übersehen und bin deswegen auf der falschen Seite an der Remise am Gürtel vorbeigelaufen. Ist ein wenig ärgerlich, weil total unnötig und obendrein kannte ich den „richtigen“ Weg hier ja eigentlich schon, aber im Endeffekt war und ist mir das relativ egal. Die Umrundung war nach 2:55:16 Stunden erledigt, wobei ich laut Aufzeichnung 25,05 Kilometer zurückgelegt habe (was einen Schnitt von exakt 7 min/km ergibt). Unterwegs war ich allerdings um 20 Minuten länger, also inklusive der erkannten Stehzeiten. Ich bin jedenfalls insgesamt sehr zufrieden, die Grenze habe ich eigentlich (abgesehen von dem kleinen Blödsinn bei der Remise) überall so gut wie möglich erwischt. Spaß hat vor allem der Bergauf-Teil am Anfang gemacht, das war schon recht abenteuerlich.

Exakte Grenze von Döbling (in rot) und mein GPS-Track (in blau).

Was kann ich sonst über die Runde sagen? Wie schon geschrieben: die Entscheidung, mit Trailschuhen zu laufen, war definitiv richtig. Erstmals habe ich mich im Zuge dieses Projekts mit Gels versorgt, das hat auch gut funktioniert. Kurz nach dem Start hat mein Magen geknurrt, was mir ein wenig Sorgen bereitet hat. Trotzdem hatte ich energiemäßig bis zum Schluss keine Probleme – ob das aufgrund der Gels so war, weiß ich nicht, aber geschadet haben sie offenbar nicht. Drei habe ich mir während des Laufes einverleibt, eines vor der Heimfahrt, damit ich beim Radeln nicht eingehe. Und erstmals hatte ich einen Faltbecher dabei (um bei den Trinkbrunnen besser und effektiver trinken zu können), der war definitiv eine gute Investition.

Money well spent!

Eine Runde würde ich im Juni noch gerne schaffen. Meiner bisherigen Logik folgend müsste nun Hernals umrundet werden. Knapp 30 Kilometer wäre die Route, die ich mir dafür zurechtgelegt habe, lang, allerdings kommen dabei um die 1000 Höhenmeter zusammen, weswegen ich wohl mit einer Laufdauer von ungefähr 4 Stunden rechnen muss. Abgesehen davon ist die Rundenlänge selbst auch eine nicht ganz klare Größe. Im Idealfall wäre die Runde 29 Kilometer lang, wenn ich aber bei den Stellen, wo ich die Wege kurz verlassen muss, nirgends durchkommen, bin ich gleich mal bei 32 Kilometer. Die von mir erstellten Routen der Umrundungen von Simmering, Favoriten und Hietzing sind alle zwischen 30 und 31 Kilometer lang, also nur unwesentlich länger als die geplante Hernals-Umrundung – vor allem von Simmering ist die eigentliche Grenze (wesentlich) kürzer, ich komme aber um ein paar ordentliche Umwege nicht herum. Jedenfalls weisen die Runden um Simmering und Favoriten deutlich weniger Höhenmeter auf. Insofern überlege ich noch, welchen Bezirk ich mir als Nächstes vornehme. Nachdem ich jetzt hintereinander Währing, Ottakring und Döbling erledigt habe, wäre vielleicht ein wenig Simmeringer Abwechslung keine schlechte Idee… Übers kommende Wochenende werde ich diesbezüglich ein wenig in mich gehen.

So, und am Ende noch eine Erklärung, was es mit dem Titel dieses Eintrags auf sich hat. Es war dann doch kurz vor 22 Uhr, als ich zur Heimfahrt mit dem Rad aufgebrochen bin. Relativ kalt war es mittlerweile (glücklicherweise habe ich an trockenes Gewand für die Heimfahrt gedacht, das in meiner Radtasche auf mich gewartet hat) und natürlich stockdunkel. Flott konnte ich nicht fahren, weil ich auf der großteils unbeleuchteten Donauinsel nichts und niemanden übersehen wollte. Trotzdem wollte ich so schnell wie möglich heim – die Sehnsucht nach einer warmen Dusche und Nahrung war schon recht groß. Deswegen habe ich mich für die kürzeste Strecke und somit eine nächtliche Fahrt durch die Lobau entschieden. Ich habe ja schon öfter geschrieben, dass ich diesbezüglich relativ angstbefreit und oft und gerne am späten Abend und bei völliger Dunkelheit in der Lobau unterwegs bin. Naja, das war an diesem Abend nicht wirklich der Fall. Es hat schon mal damit begonnen, dass es sich mit der Einfahrt in die Lobau schlagartig um 5 Grad kälter angefühlt hat. Und dann hat wohl meine körperliche und geistige Ermüdung zugeschlagen, weil je länger ich durch den Wald gefahren bin, umso mehr bin ich mir beobachtet und verfolgt vorgekommen. Ich wusste natürlich, dass das alles Einbildung und komplett lächerlich ist, aber dieses immer intensiver werdende beklemmende Gefühl war wirklich schirch. Ich war heilfroh, als ich zwischen den Bäumen dann endlich die Lichter von Groß-Enzersdorf erblickt habe und kurz danach dem Wald „entkommen“ bin. Zum Zeitpunkt dieser „Angstzustände“ hatte ich dann doch schon über 5 Stunden sportliche Aktivität hinter mir und da sieht man mal, was für Streiche einem das Hirn spielen kann, wenn es nicht mehr so ganz auf der Höhe ist. Auf solche zusammenfantasierten Gruseleinlagen verzichte ich in Zukunft gerne.

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