Eines meiner Laufziele für das Jahr 2023 war ja die Teilnahme an einem Trail-Lauf bzw. an mehreren davon. Der erste größere (und für mich gut erreichbare) Bewerb, der dafür in Frage kam, war der Lindkogel-Trail am 26. März (also am vergangenen Sonntag), mit Start und Ziel in Bad Vöslau. Bevor ich den Lauf selbst Revue passieren lasse, möchte ich aber ein paar Worte über die Vorgeschichte verlieren.
Der Wunsch, an diesem Lauf teilzunehmen, ist im vergangenen Herbst gereift. Beim Lindkogel-Trail gibt es ja mehrere Bewerbe. Der Ultra Trail über 54 Kilometer, gespickt mit 2370 Höhenmeter, stand nicht zur Debatte, aber den Super Trail (34 Kilometer, 1420 Höhenmeter) hätte ich mir damals schon zugetraut, langsam halt. Nachdem der Herbst aber – aufgrund der eh schon thematisierten Probleme mit Rücken / Hüfte / Leiste und diverser Infekte – sehr laufarm vorübergegangen ist, dachte ich mir dann am Jahresanfang, dass der Advanced Trail (21 Kilometer, 1070 Höhenmeter) wohl die bessere Wahl wäre. Ein Halbmarathon geht ja quasi immer, auch ohne Training, und bergauf gehe ich eben. So, Anfang März folgte dann eine Corona-Infektion, und nachdem es mir 2022 in den Wochen nach Corona eher mittelprächtig gegangen ist, war ich mir nicht mehr so sicher, ob in diesem Fall ein mehr als zwei Stunden langer Lauf die allerbeste Idee ist. Im Gegenteil, ich war mir sogar sehr sicher, dass das eine ziemlich schlechte Idee ist. Deswegen ist das Downgrading weitergegangen und ich bin beim Fun Trail angekommen (10 Kilometer und 370 Höhenmeter). Eigentlich, dachte ich mir, zahlt sich, wenn man es nüchtern betrachtet, der Aufwand (also zwei knapp einstündige Autofahrten und ein Startgeld von aufgrund der späten Anmeldung immerhin 35 Euro) für einen so kurzen Lauf gar nicht aus. Andererseits muss man die Feste feiern, wie sie fallen und ich hab mich ja schon wochenlang auf diesen Bewerb gefreut. Insofern: Wurscht, Fun Trail it was.
Die unmittelbare Vorbereitung war auch eher…naja, nennen wir es suboptimal. Anfang März kein Laufschritt (weil Corona), dann zwei Wochen des vorsichtigen Wiederanfangs, und in der Woche des Lindkogel-Trails aus Zeitmangel auch kein Laufschritt. Immerhin stand ich ausgeruht am Start. Tempotraining (in welcher Form auch immer) habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht (abgesehen von ein paar Endbeschleunigungen am Laufband, die ich seit Jahresbeginn immer wieder mal spontan eingebaut habe, damit es nicht allzu fad wird) und Läufe im Gelände auch nicht. Es ist also kein Understatement, wenn ich behaupte, ziemlich unvorbereitet teilgenommen zu haben. Und im Startbereich musste ich feststellen, dass die Teilnehmerschaft bei reinen Straßenläufen oder Läufen im einfachen (also flachen) Gelände wesentlich diverser ausschaut als bei einem echten Trail-Lauf. Was meine ich damit? Laut BMI bin ich leicht übergewichtig, meistens knapp über der Grenze zum Normalgewicht. Als dick würde ich mich aber echt nicht bezeichnen, mein Körperbau ist halt eher stämmig. In den letzten Jahren hat sich lediglich so ein kleines Wohlstandsbäuchlein gebildet, das ich wahrscheinlich auch nicht mehr so einfach loswerde. Am Sonntag bin ich mir aber fast ein bissl blad vorgekommen. Ich habe mir alle Zieleinlauffotos des Fun Trails angeschaut und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich von den 230 Leuten, die den Lauf gefinisht haben, gewichtsmäßig so zwischen Rang 8 und 12 gelegen bin. Vielleicht sogar weiter vorn, sollten ein paar der „noch dickeren“ Läufer deutlich kleiner sein als ich, das sieht man ja nicht so eindeutig auf den Fotos.
Trotz der ganzen ungünstigen Vorzeichen stand ich also frohen Mutes an der Startlinie – die Vorfreude war groß und die Bedingungen für mein Empfinden ideal (Sonnenschein, knapp über 10 Grad). Meine Ziele waren in erster Linie Spaß haben, nicht stürzen und nicht irgendwo falsch abbiegen. Letztere Sorge war unbegründet, die Strecke war unmissverständlich und lückenlos beschildert bzw. mit Fähnchen markiert. Darüber hinaus dachte ich mir, dass ich ja versuchen könnte, unter einer Stunde zu bleiben. Jedenfalls wollte ich meine Herzfrequenz im Auge behalten und mich bis zum höchsten Punkt (der nach ein wenig mehr als 4 Kilometer erreicht wurde) nicht komplett abschießen. Bis kurz vor dem Start habe ich noch mit mir gehadert bezüglich der Frage, ob ich mit oder ohne Musik in den Ohren laufe. Ich habe mich dagegen entschieden, um auch ja alles um mich herum mitzubekommen. Das war sicherlich eine gute Entscheidung – jedenfalls hatte ich (auch ohne musikalische Anfeuerung) zu keinem Zeitpunkt Motivationsprobleme oder das Gefühl, nicht an mein Limit gehen zu können.
Jetzt aber zum Lauf selbst. Nach dem Start ging es eigentlich sofort rein in den Anstieg – zunächst über eine kurze Kopfsteinpflasterpassage (wo ich ca. 300 Meter nach dem Start beinahe mit dem linken Knöchel umgeknickt wäre, völlig grundlos, das war knapp), dann durch einen Park und dann in den Wald. Hier bin ich zunächst großteils gelaufen und war relativ weit vorn – also nicht in der Spitzengruppe, aber sicher 20 oder 30 (oder vielleicht auch mehr) Plätze weiter vorn als am Ende des Rennens. Nach knapp 1,5 Kilometer hatte ich dann Erbarmen mit meinem armen Herz (dessen Frequenz schon konsistent über 180 Schlägen pro Minute lag) und bin bergauf gegangen und nicht mehr gelaufen (wobei ich dadurch kaum langsamer wurde und der Puls auch nicht signifikant runtergegangen ist). Da ging es dann auch damit los, dass ich für einige Zeit dauernd überholt wurde. Auf einem welligen Abschnitt ging es dann „positionstreu“ dahin, zum Überholen war auch kaum Platz, wohingegen auf der danach folgenden kurzen Bergabpassage ein paar Läufer an mir vorbeigeschossen sind. Dann ging es sofort rein in den nächsten Anstieg rauf zum höchsten Punkt des Laufs. Ab der Hälfte von diesem hat sich um mich herum dann die Reihenfolge der Läufer (Läuferinnen waren in meiner unmittelbaren Nähe keine) mehr oder weniger einzementiert. Eine Gruppe von vielleicht 5 bis 10 Leuten hat sich gemeinsam raufgekämpft, wobei ich da eher am Ende gehängt bin und letztlich vergeblich versucht habe, mich nicht abhängen zu lassen.
Ungefähr 32 Minuten nach dem Start war diese Quälerei dann zu Ende – ich hatte das Jubiläumskreuz erreicht und ich wusste, dass es nun fast ausschließlich bergab zum Ziel gehen würde, abgesehen von einem kleinen Anstieg kurz vor dem Ende. Zunächst ging es recht steil runter, teilweise musste ich da wirklich gut aufpassen, um nicht zu stolpern. Hier wurde es dann relativ einsam. Hinter mir war niemand – ich glaube, ein paar Leute sind beim Jubiläumskreuz kurz stehengeblieben um Fotos zu machen (ich hab auch kurz überlegt, mich aber dagegen entschieden) und ein paar sind vielleicht auch bei der Labestation eingekehrt. Vor mir war lediglich ein Läufer in Blau zu sehen, der auch schon beim letzten Stück bergauf immer in meiner unmittelbaren Nähe war. Im technisch anspruchsvolleren Gelände (zunächst ging es, wie schon erwähnt, etwas steiler runter) konnte ich ihm aber nicht wirklich näher kommen. Das gelang erst, als wir auf einen vergleichsweise sanft abfallenden und kerzengeraden Weg gekommen sind, auf dem ich es recht gut rollen lassen und mich ein wenig absetzen konnte. In einer Passage durch den Wald (über Stock und Stein) hab ich die Vernunft kurz beiseite geschoben, ein wenig hasardiert und ihn abgehängt. In Sichtweite (vielleicht 100 oder 150 Meter vor mir) waren die ganze Zeit ein paar der Läufer, denen ich bergauf nicht mehr folgen konnte und ich hoffte schon, dass ich mich da irgendwie hinkämpfen könnte. Kurz vor dem letzten Anstieg vor Bad Vöslau hatte ich dann tatsächlich zwei von ihnen erreicht, für meine Aufholjagd aber offenkundig zu viel Energie verbraucht – ich konnte den Anstieg nicht durchlaufen, die beiden eingeholten schon. Und hinter mir waren der Läufer in Blau und ein weiterer Konkurrent wieder näher gekommen. Das letzte Stück in Bad Vöslau, wieder durch den Park und über die Kopfsteinpflasterpassage führend, war dann ein ziemliches Tempogebolze, die beiden hinter mir wollten mich ein- und überholen, ich wollte das aber nicht zulassen. Im Endeffekt konnte ich mich wenigstens hier durchsetzen und als Erster von uns dreien ins Ziel sprinten, und zwar auf Rang 86 nach 1:04:55 Stunden.
Ich bin also relativ deutlich an meinem Zeitziel gescheitert. Fünf Minuten schneller zu laufen ist nicht nix. Am Tag des Rennens konnte ich mir aber wirklich nichts vorwerfen. Abgesehen von den ersten Minuten und vom Anfang des Bergabstücks nach dem Jubiläumskreuz, auf dem ich versucht habe, mich ein wenig zu erholen, war ich quasi durchgehend nahe am oder im roten Bereich unterwegs. Durchschnittlich 179 mal pro Minute musste mein Herz pumpen, am Ende des Rennens hab ich sogar mal am 200-er gekratzt – ich hätte nicht gedacht, dass ich in meinem Alter noch so hoch raufkomme. Mit anderen Worten: ich habe alles gegeben und viel mehr war nicht drinnen für mich – vielleicht hätte ich es langsamer angehen sollen, um am Ende noch ein paar Reserven übrig zu haben…man weiß es nicht. Ich bin jedenfalls zufrieden mit meiner Renngestaltung und bereue nichts. Ein paar Tage später spüre ich meine Oberschenkel und die Muskulatur rund um die Sprunggelenke herum noch ordentlich – vermutlich alles vom Bergablaufen und der für mich dabei recht ungewohnten Belastung. Von einem kleinen (inoffiziellen) Erfolg kann ich übrigens auch berichten: Gäbe es eine Gewichtswertung, hätte ich in der Schwergewichtsklasse gewonnen. Aus der Kategorie >90 Kilogramm war ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der erste im Ziel!
War das nun der erste von vielen Trail-Läufen oder eher ein Fall von einmal und nie wieder? Einerseits haben sich meine Befürchtungen bestätigt – fürs schnelle Bergauflaufen bin ich zu schwer (und daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich ein paar Kilogramm abnehme) und fürs schnelle Bergablaufen zu feig bzw. sind meine Knöchel so instabil, dass es böse ins Aug gehen könnte, würde ich mir bergab einfach weniger pfeifen. Andererseits hat es schon Spaß gemacht. Zwischendurch habe ich mich natürlich mehrmals gefragt, warum ich mir das antue. Allerdings ist so ein Trail-Sprint, bei dem man quasi die ganze Zeit am Anschlag rennt (oder geht), vermutlich auch eher speziell und schon etwas deutlich anderes als die längeren Trail-Läufe, bei denen es eher um das Durchhaltevermögen bei geringerer Intensität geht. Auch schmerzhaft, aber anders schmerzhaft. Letztlich sind Trail-Läufe im einfachen Gelände von der Belastung her wahrscheinlich mit den entsprechenden Straßenläufen sehr vergleichbar. Bei einem klassischen 10er auf Asphalt geht es ja auch darum, dass man die ganze Zeit an der Schwelle rennt und es schafft, sich am Ende durchzuquälen (immer kurz vorm Anspeiben). Und den Advanced Trail wäre ich nicht anders angegangen als einen „normalen“ Halbmarathon – mit wegen der Höhenmeter entsprechend angepasstem Tempo natürlich. Trotzdem ist es schon bemerkenswert, wie viel es über einen so kurzen Lauf zu erzählen gibt. Vom Erlebnis her ist ein Trail-Lauf dann doch wesentlich ergiebiger als ein herkömmlicher Straßenlauf. Insofern glaube ich, dass ich heuer noch bei weiteren Läufen dieser Art mitmachen werde – auch, weil ich gerne wissen würde, wie ich abschneide, wenn ich besser trainiert bin, nicht gerade Corona hinter mich gebracht habe und nicht so viel Winterspeck mit mir herumschleppe.
Und wenn es terminlich passt, stehe ich nächstes Jahr beim Lindkogel-Trail auch wieder am Start, war super!
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