Laufen ist (k)ein billiger Sport

Im Gegensatz zu anderen Sportarten ist Laufen total einfach durchführbar und vor allem billig – rein in die Laufschuhe und los geht’s. Hm, naja, jein. Stimmt schon, für eine ordentliche Golfausrüstung muss man einen Haufen Geld hinlegen, Reiten kostet viel und bei anderen ausrüstungsintensiven Sportarten wie Segeln oder Surfen, auch Skifahren oder was es da sonst noch so gibt, sind die Investitionen mitunter enorm – vor allem, wenn man irgendwann mal des anfänglichen Ausborgens der Ausrüstung überdrüssig wird und selbige lieber besitzen möchte. Im Vergleich dazu ist das Laufen tatsächlich preiswert und bedarf keiner großen Einmalinvestitionen. Nichtsdestotrotz kann man auch als Läufer, obwohl man für seinen Sport ja eh quasi nix braucht, von den Marketingabteilungen der Sportartikelhersteller, deren hundsgemeinen und äußerst verführerischen Newsletters und der sich nach und nach einstellenden Sehnsucht nach umfassender Ausgerüstetheit zu ordentlichen Ausgaben getrieben werden. Es folgt eine kleine Übersicht der Dinge die man braucht und/oder zu brauchen glaubt…

Schuhe: Während früher die Menschen teilweise mit ganz gewöhnlichen Freizeitschuhen joggen gegangen sind, würde das heutzutage kaum noch jemand machen. Dafür müssen schon richtige Laufschuhe her. Wenn das Laufen ein regelmäßig ausgeübtes Hobby ist, sollte man allerdings mehr als nur ein Paar besitzen – so drei bis fünf Modelle sollten es schon (mindestens) sein, die gleichzeitig eingesetzt werden. Einerseits empfehlen das die Schuhhersteller, aus offensichtlichen Gründen, andererseits auch viele Ärzte, Coaches und vermeintlich unabhängige Experten. Jeder Schuh fühlt sich ein wenig anders an, liefert andere Druckpunkte und Belastungsverteilungen. Diese Aspekte bewusst zu variieren verhindert eine zu monotone Belastung der Füße und verringert so die Verletzungsanfälligkeit des ganzen Bewegungsapparats. Das ist zumindest die derzeit vorherrschende Meinung. Ich persönlich halte es so, dass ich – wenn ich gerade verletzungsfrei bin – vier bis fünf Mal pro Woche laufen gehe und ein bestimmtes Modell nur ein Mal (maximal zwei Mal) pro Woche trage. Macht also fünf verschiedene Laufschuhpaare, die bei mir im Normalfall gleichzeitig im Einsatz sind. Pro Paar muss man mit 150 bis 180 Euro Listenpreis rechnen (Tendenz steigend), irgendwelche Spezialmodelle (z.B. mit Carbonplatte) kosten auch gerne mal deutlich mehr. Online bekommt man die Schuhe oft auch billiger, die Anprobe wird dann halt zu einer Lotterie – man sollte schon ganz genau wissen, welches Modell man in welcher Größe benötigt. Insofern und auch aus anderen Gründen macht es schon Sinn, einen Fachhändler aufzusuchen und dann eben zähneknirschend den Listenpreis zu bezahlen. Mein ganzes Laufschuharsenal kostet(e) also irgendwas zwischen 600 und 800 Euro. Klingt ganz schön viel. Allerdings muss ich da relativieren. So zwischen 800 und 1000 Kilometer kann man schon runterspulen pro Laufschuhpaar, manchmal auch mehr. Mit fünf Paaren bin ich also mehr oder weniger zwei Jahre komplett ausgestattet.

Gewand: Früher war alles besser. Nicht! Ende der 90-er bin ich noch im Trainingsanzug gelaufen, was speziell bei Regen durchaus…speziell war. Ich kann mich noch erinnern, als ich einmal in einen ordentlichen Regenschauer gekommen bin und mein „Laufgewand“ innerhalb weniger Minuten vollgesaugt war. Verschärfte Bedingungen quasi. Bald habe ich mir dann Lauftights zugelegt und mich während der ersten Läufe bei Begegnungen mit anderen Menschen zu Tode geniert in der hautengen Kluft. Irgendwann war mir das aber ziemlich egal und ich habe die Vorteile dieser Funktionskleidung zu schätzen gelernt. Heutzutage ist alles Funktion. Funktionsunterhosen, Funktionssocken, Funktionsjacken, Funktionsshirts, Funktionshosen. Funktion, Funktion, Funktion. Und wenn man mehrmals pro Woche läuft und nicht nach jedem Mal das ganze Zeug waschen möchte (wogegen man auch energieeffizienztechnisch argumentieren kann), braucht man halt auch ein paar Garnituren. Für den Sommer und für den Winter. Bei mir hat sich inzwischen ein ziemlicher Berg angesammelt. Manches davon war richtig teuer (eine ordentliche Laufjacke für den Winter kostet regulär halt locker an die 200 Euro), manche „Ergänzungsstücke“ habe ich mir vom bösen Online-Versand zum Schleuderpreis geholt. Aber nur um das klarzustellen: ja, der Unterschied ist teilweise gewaltig. Meine Lieblingswintergarnitur stammt zum Beispiel aus dem Hause Gore. In voller Adjustierung laufe ich da mit Kleidung im Wert von mehr als 400 Euro herum, exklusive Schuhe. Aber das fühlt sich um Eckhäuser besser an als Billigware. Vor allem rutscht nix, was speziell bei Lauftights extrem lästig sein kann. Aber das ist natürlich keine allgemein gültige Aussage – vielleicht hat die Passform der Gore-Kollektion 2020 (da hab ich mir den Großteil davon zugelegt) einfach perfekt für mich gepasst, keine Ahnung. Glücklicherweise muss man sich das ganze Zeug nicht auf einmal kaufen, das läppert sich im Laufe der Jahre zusammen und wenn man ein wenig mehr Geld in die Hand nimmt und sich Funktionskleidung guter Qualität zulegt, hält das im Normalfall auch einige Jahre – eine meiner Laufjacken besitze und verwende ich z.B. schon seit mehr als 10 Jahren.

Uhr: Es gibt die Puristen, die einfach durch die Gegend laufen, ohne von irgendwelchen technischen Gadgets abhängig sein zu wollen. Und dann gibt es jene, die keinen Meter laufen ohne dass jeder Schritt mitgetrackt wird. Das sind dann auch diejenigen, die einen Lauf verschieben, wenn halt grad zufällig der Akku der Uhr nicht voll genug ist…schuldig im Sinne der Anklage – ich bin auch so einer. Wobei letzteres wahrscheinlich auf den Großteil der Läuferschaft zutrifft (und auf die Radfahrerschaft, die Gruppe der sportlich orientierten Wanderer, der schrittezählenden Gassigeher und Kinderwagenschieber und und und). Brauchen tut man so ein Teil sicher nicht, aber es ist halt schon praktisch, immer zu wissen, wie weit und schnell man gelaufen ist. Die 1-2% an Ungenauigkeit der meisten GPS-Tracker sind meiner Meinung nach leicht zu verschmerzen; vor allem, wenn ich zurückdenke an meine ersten Laufjahre, als ich noch mühevoll versucht habe, aus digitalen Karten die Laufdistanzen irgendwie rauszumessen. Abgesehen davon erlauben Lauf- bzw. Sportuhren so gut wie immer eine kontinuierliche Herzfrequenzmessung und liefern allerhand andere Daten und Informationen. Nichts davon ist notwendig, kann aber durchaus interessant und manchmal auch motivierend sein. Und zur Herzfrequenz: die neueren Uhren haben fast alle diese Handgelenkssensoren, die einen Brustgurt überflüssig machen. Sie sind zwar ungenau(er), aber die Trends kann man schon ganz gut ablesen und es ist halt einfach wesentlich komfortabler, sich nicht auch noch einen Brustgurt umschnallen zu müssen. Und ich persönlich möchte mich auch gar nicht zum Sklaven der zu jedem Zeitpunkt ganz exakt erfassten Herzfrequenz machen – nach Gefühl und Befinden zu laufen reicht mir. Wenn einem die Uhren, die es immer wieder bei den diversen Discounter-Supermärkten gibt, genügen, muss man nicht sehr tief in die Tasche greifen (mit Einsteigermodellen um deutlich weniger als 100 Euro). Die Topmodelle kosten hingegen gerne an die 1000 Euro (und wahrscheinlich auch bald oder eh bereits jetzt mehr). Ich habe mich vor etwa zwei Jahren für eine Uhr der Mittelklasse entschieden (Garmin Venu), die zwar eher sowas wie eine Smartwatch ist, aber alle Sportfunktionen bietet, die für mich relevant sind. Und ich bin immer noch zufrieden damit, für mich reicht sie. Kostenpunkt damals: knapp 300 Euro.

Rucksack: Ab einer gewissen Lauflänge kann es sinnvoll sein, auf Eventualitäten vorbereitet zu sein. Es könnte zu regnen beginnen. Es könnte kalt werden. Man könnte hungrig oder durstig werden. Wenn es nicht möglich ist, die entsprechenden Bedürfnisse am Wegesrand zu befriedigen bzw. wenn man nicht Runden laufen möchte – um das eigene Haus oder Auto oder einen anderen stationären Versorgungspunkt – sollte man die diversen Dinge also mit sich führen. Und dafür ist ein Laufrucksack oder eine Laufweste (wie es mittlerweile heißt) außerordentlich praktisch – also sowas wie ein minimalistischer Rucksack, in den man Riegel, Gels, Softflasks, Trinkblasen, eine dünne Jacke, Schlüssel, Handy, Geldbörse und andere Kleinigkeiten reinstopfen kann. Manches davon würde wohl auch in der Jackentasche Platz finden, aber das wäre wesentlich unkomfortabler. Meine Laufweste von Salomon hat (wenn ich mich richtig erinnere) so ca. 120 Euro gekostet, war also auch nicht ganz billig. Allerdings hat man in der Regel länger etwas davon und in Wahrheit reicht es in den allermeisten Fällen wohl, eine einzige Laufweste zu besitzen. Läufer, die sich auch im Training quasi unsupported mehrtägigen Laufabenteuern aussetzen, werden vermutlich Laufwesten in mehreren Größen haben, aber in diese Gruppe falle ich definitiv nicht rein. Ansonsten besitze ich noch zusätzlich die Minimalversion von einer Laufweste, nämlich einen Laufgurt, in den eine kleine Softflask plus weitere kleine Gegenstände (Schlüssel, Handy) passen.

Beleuchtung: Im letzten Winter habe ich entdeckt, dass es eigentlich recht nett ist, nach Anbruch der Dunkelheit zu laufen, auch im Wald. Üblicherweise ist man dabei mutterseelenallein und komplett ungestört – abgesehen davon, dass man vielleicht doch ein wenig gestört sein muss, um allein in der Finsternis durch den Wald zu laufen (den Erlebnissen dabei widme ich demnächst eine eigenen Eintrag). Egal, jedenfalls macht es schon Sinn, die Dunkelheit lokal aufzuhellen, im Idealfall den Bereich unmittelbar vor einem. Dazu bieten sich Stirnlampen an und je nach Untergrund und Gelände variieren die Anforderungen. In meinem Fall hab ich einfach im Supermarkt eine um – keine Ahnung – 12 oder 15 Euro mitgenommen. Genau weiß ich es nicht mehr, aber in dem Rahmen hat sich das bewegt. Ist sicher ein billiger Schmarrn, aber für meine Bedürfnisse reicht sie eigentlich. Bewegt man sich im hochalpinen Gelände, mag es aber durchaus sinnvoll sein, die unmittelbare Umgebung besser auszuleuchten und in eine entsprechend gute Stirnlampe zu investieren. Dafür kann man gut und gerne 100 Euro und mehr ausgeben, notwendig ist das für die allermeisten Läufer aber wohl kaum.

Nahrung: Laufen kostet Energie – wenn man nicht abnehmen will, muss man entsprechend essen. Ist sicherlich richtig, wobei das mit dem Abnehmen ein eigenes Thema ist – ich habe es jedenfalls noch nie geschafft, mit dem bzw. durch das Laufen abzunehmen. Egal, darum geht es hier jetzt nicht. Die Frage lautet eher, was soll oder muss man als Läufer essen. Eigentlich sind sich die meisten Experten einig: eine ausgewogene, normale Ernährung reicht völlig und sich irgendwelche Nahrungsergänzungen zuzuführen bringt kaum etwas (über einen möglichen Placebo-Effekt hinausgehend), spült lediglich Geld in die Taschen der Hersteller und kann im schlechtesten Fall sogar gesundheitliche Nachteile zur Folge haben. Es mag sein, dass der Energiebedarf bei Vielläufern Ausmaße erreicht, aufgrund derer gezielte Nahrungsergänzung tatsächlich sinnvoll oder sogar notwendig wird, aber das betrifft ja verschwindend wenige Läufer und sicherlich nicht die große Masse. Beim Laufen selbst scheiden sich auch die Geister. Manche essen und trinken im Training so gut wie nie, andere stopfen sich bei jedem Lauf regelmäßig Gels rein und sehen es bei der Flüssigkeitsaufnahme auch ganz streng. Ich bin da eher schleißig. Gegessen wird nur bei Läufen deutlich jenseits der zwei Stunden und Wasser nehme ich auch nur mit, wenn es warm/heiß ist und ich an keinen Trinkbrunnen vorbeilaufe. Insofern spielen die Kosten für spezielle, zusätzlich Nahrungsmittel aufgrund des Laufens bei mir so gut wie gar keine Rolle. Wenn man so ein Abo für eine grad sehr moderne und kaum übersehbare Nahrungsergänzung abschließt (ich nenn den Namen jetzt nicht, aber ich kann derzeit kein Youtube-Video anklicken ohne danach diese Werbung anschauen zu müssen) und konsequent bei jedem anstrengenden Training Gels zu sich nimmt, kommt man wahrscheinlich locker auf 100 Euro pro Monat. Oder mehr. Möglichkeiten gäbe es ja genug. Ein Wasserl vor dem Training, ein anderes währenddessen, ein drittes für die Regeneration. Da hab ich auch schon ein paar Varianten ausprobiert, aber überzeugt hat mich nichts davon.

Sonstige Gadgets: Es gibt dann noch einige andere Tools und Hilfsmittel, die in Wahrheit aber eher in die Kategorie „Spielerei“ fallen. Gar nicht so wenige Läufer besitzen den Leistungsmesser von Stryd, der mittels Footpod Auskunft darüber gibt bzw. geben soll, welche Leistung man zu jedem Zeitpunkt eines Laufs gerade erbringt. Und dann gibt es ja auch seit noch nicht so langer Zeit so einen Sensor, der auf den Arm geheftet wird und der in Echtzeit und fortlaufend den Blutzuckerspiegel messen soll. Menschen, die an Diabetes leiden, kennen dieses Ding in anderer Ausprägung schon länger. Der Sinn davon wäre, Aufschluss über die Leistungsfähigkeit und die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme zu bekommen. Der Leistungsmesser kostet schon ein paar hundert Euro, das Glucose-Messgerät noch wesentlich mehr, weil das offenbar über ein Abo-System funktioniert und es somit nicht mit Einmalkosten getan ist. In beiden Fällen gibt es durchaus noch Unklarheiten in der Technologie – zumindest habe ich das so verstanden – oder zumindest noch unbeantwortete Fragen hinsichtlich der Auswertung und Interpretation der Messungen. Ich sehe da für mich keine Notwendigkeit oder irgendeinen Mehrwert, aber wenn einem die Kosten nicht weh tun und man gerne solche technischen Spielereien besitzt…warum nicht.

Sonstiges: Und dann gibt es natürlich auch noch Equipment für Spezialdisziplinen innerhalb des Laufens. Als Berg- oder Ultratrailläufer braucht man vielleicht noch Stöcke, Grödel, vielleicht sogar diverse Sicherungssysteme. Außerdem sind noch so Dinge wie Sonnenbrillen, Kopfbedeckungen usw. gegebenenfalls sinnvoll – aber hier möchte ich nicht mehr ins Detail gehen. Sonnenbrillen wären zwar schon ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor, aber ich habe selbst noch nie eine verwendet beim Laufen und habe deswegen auch keine Meinung dazu. Und das ganze Kleinzeug wie eben Hauben, Stirnbänder, Buffs usw. – ja, die gibt es auch und sind je nach Witterung sinnvoll bis notwendig. Aber wie schon geschrieben, da verspüre ich jetzt keine Motivation, jedes Teil durchzudiskutieren. Jene Läuferinnen und Läufer, die sich gerne ins Renngetümmel werfen, müssen außerdem noch die entsprechenden Startgelder berappen. Bei Volksläufen und kleinen Veranstaltungen kostet eine Teilnahme oft nicht mehr als 10 bis 15 Euro, Stadtmarathons möchten oftmals an die 100 Euro für eine Teilnahme haben, prestigeträchtige Stadtmarathons und Ultratrailläufe noch deutlich mehr.

Ein kaum zu erschöpfender Themenkomplex ist das alles. Um zur eingangs gestellten Frage bzw. zur eingangs in den Raum gestellten Feststellung zurückzukommen: Wenn man das Laufen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Ernsthaftigkeit betreibt, kommen schon Investitionen in die Ausrüstung von mehr als 1000 Euro zusammen. Wahrscheinlich sogar (viel) mehr. Allerdings – und das ist das Angenehme – erstreckt sich der Zeitraum, innerhalb dessen die diverse Dinge angeschafft werden (müssen), doch über mehrere Monate, vielleicht sogar Jahre. Insofern: Nein, Laufen kostet nicht quasi nix. Aber ja, im Vergleich zu vielen anderen Sportarten ist es dann doch relativ preisgünstig und für fast jedes Budget leistbar. Als Laufanfänger reicht es tatsächlich aus, sich mal ein Paar Laufschuhe zuzulegen (hier sollte man aber nicht unbedingt sparen), irgendeine Art von Sportgewand wird man schon daheim haben bzw. kann man sich ja mal eine Garnitur Laufgewand leisten (das motiviert auch). Mehr braucht man nicht, um loszulegen.

Es gibt in dieser Hinsicht also keine Gründe nicht zu laufen!

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