Nach dem Aua ist vor dem Wehwehchen

Ich kann mich noch gut erinnern an jene Zeit, als ich mich fast unverwundbar gefühlt habe. Mit dem Rad stürzen, die Treppen runterkugeln, beim Fußballspielen umgesenst werden, alles egal. Ein paar Tage später waren die Schürfwunden verheilt und die Schmerzen vergessen. Oder die generelle Immunität gegenüber Erkältungen und dergleichen. Über Jahre hinweg war es ganz selbstverständlich, dass ich mir in der Früh die (etwas längeren und sehr dichten) Haare gewaschen habe und dann bin ich zum Bus gegangen. Gefönt habe ich mir die Haare natürlich nicht. Auch im Winter nicht. Und Haube habe ich da natürlich auch keine aufgesetzt („bin doch kein Lulu“). Beim Einsteigen in den Bus war zwischen November und März mein Haupthaar also regelmäßig gefroren. Völlig wurscht, unverwüstlich ist da fast schon ein Hilfsausdruck.

Aber irgendwann ändert sich das alles. Einerseits schlagartig, andererseits schleichend. Zuerst mal zurück zu jenem Tag, der meine Unverwundbarkeit beendet hat. Es war im Frühjahr 1995, als meine Fußballmannschaft doch tatsächlich um die Meisterschaft mitgespielt hat. Und justament bei jenem Match, in dem es gegen den unmittelbaren Konkurrenten um den Titel ging, fielen einige Mannschaftsstützen aus. Und nicht nur das, wir gingen sogar nur zu zehnt in die Partie, wenn ich mich richtig erinnere. Was blieb mir da anderes übrig, als wirklich alles zu geben, was in mir steckte. Das hat auch recht gut funktioniert und die Gegenspieler haben das auch erkannt. Irgendwann kurz nach dem Seitenwechsel wurde ich zum gefühlt hundertsten Mal unsanft von den Beinen geholt. Leider nicht nur das. Auch das Seitenband in meinem rechten Knöchel wurde auf eher ungünstige Art und Weise überdehnt. Die Schmerzen waren nicht klein, weitergespielt habe ich trotzdem, es ging ja um Alles. Das Match wurde gewonnen, die Meisterschaft auch, die Meisterschaftsfeier erlebte ich aber im Spaltgips – Band gerissen. Danach durfte ich bis zum Ende meiner Fußball-„Karriere“ alle zwei Jahre einen Bänderriss erdulden, zuerst noch einmal im rechten Knöchel, dann zweimal im linken Knöchel. Mittlerweile bin ich – vor allem rechts – extrem instabil. Es drängt sich die Befürchtung auf, dass von meinen Bändern nicht mehr viel übrig ist. Blöderweise bin ich nämlich auch später noch immer wieder böse umgeknickt und befürchte fast, dass der eine oder andere Bänder(ein)riss unbemerkt oder zumindest unbehandelt blieb. Und später haben sich die Probleme dann nach weiter oben fortgesetzt, also in die Knie und viel später dann auch in den Rücken. Ob das alles ursächlich mit meinen Knöchelproblemen und dem verhängnisvollen Tackling meines Gegenspielers vor fast 30 Jahren zusammenhängt, weiß ich nicht. Vielleicht eh überhaupt nicht. Damals hat das jedenfalls angefangen. Was kann man dagegen tun? „Dehnen, Yoga, Krafttraining“ lautet mein Rezept. Wenn ich das konsequent durchziehe, halten sich die Probleme in Grenzen. Wenn nicht, führt mir mein Körper recht schnell seine Abgewracktheit deutlich vor Augen.

Jetzt noch andererseits. Die schleichenden Probleme. Es heißt ja immer, so halbernst, dass es ab 30 bergab geht. Leider stimmt das halt auch. Bei mir zumindest. Mit zunehmendem Alter werde ich immer empfindlicher, was Erkältungskrankheiten betrifft. Und es fühlt sich schlimmer und schlimmer an. Mann macht sich ja ganz gern ein wenig über sich selbst lustig und verkündet ebenso gern wieder einmal einen berühmt-berüchtigten Männerschnupfen durchleben (und -leiden) zu müssen. Und mit ihm die ganze Familie, quasi in Form eines Passivschnupfens. Ich weiß nicht, ob Frauen tatsächlich besser damit umgehen können und ich kann natürlich nur für mich sprechen…aber es ist nicht lustig. Auch grad jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, bin ich schnupfenbedingt halb im Jenseits. Trotz pharmazeutischer Unterstützung leide ich mitteilsam vor mich hin. Und was die Sache noch schlimmer macht, ist die Nachhaltigkeit meines geschwächten Immunsystems. Wenn einmal der Hund drin ist, dauert es gern mal einen ganzen Winter lang, bis ich mich wieder erhole. Nicht normal, sowas.

Was das alles mit dem Laufen zu tun hat? Ziemlich viel. Seit den schon mal erwähnten (chronischen) Knieproblemen, die sich im Sommer 2007 eingeschlichen haben, dauerte es Jahre (zwölf, um genau zu sein), bis ich diese wieder in den Griff bekommen habe (durch konsequentes Krafttraining, mit Fokus auf die hintere Kette), beim Bergablaufen im Gelände muss ich immer höllisch aufpassen, damit meine Knöchel nicht wieder umknicken und seit mittlerweile einem halben Jahr ärgere ich mich mit meinen Leisten herum – vermutlich vom Rücken herrührend. Dazwischen bin ich immer wieder für Tage und Wochen schnupfenbedingt außer Gefecht. Es ist also ein ziemlicher Spießrutenlauf, ein Eiertanz, ein Lauf durch ein Minenfeld, das mir mein Körper beschert hat.

Aber im Endeffekt hilft das ganze Jammern ja nix, auch wenn es mir in den mühsamen Phasen sehr schwer fällt, mich damit zurückzuhalten. Das Leben ist schön und solange das meine Sorgen sind, sollte ich wohl glücklich und zufrieden sein – es gibt weitaus schwierigere und schwerwiegendere Situationen, mit denen Menschen konfrontiert sind, in meinem direkten Umfeld oder anderswo in der Welt. Ein klassischer Fall von first-world problems also. Und außerdem weiß man dann die Phasen körperlicher Unversehrtheit auch wesentlich mehr zu schätzen. Ich freu mich schon darauf, wenn ich wieder auf der Butterseite des Läuferlebens dahinsurfen darf!

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