Mein Rad war noch da!

22. Mai 2023. Ich. Währing. Das war Brutalität – Simmering gegen Kapfenberg nix dagegen. Während des Laufs sind mir einige Titel für diesen Eintrag eingefallen. Neben dem letztlich ausgewählten zum Beispiel „Gegen jede Vernunft“, „Don’t try this at home“, „Running up that hill“ oder „Heite grob ma Tote aus“. Und noch ein paar andere, die ich aber (leider) schon wieder vergessen habe.

Die Voraussetzungen für die Umrundung des 18. Bezirks an diesem Tag waren mittelgut. Am Vortag war ich mit meiner älteren Tochter wandern. Das war zwar ganz sicher kein Hochleistungssport, aber als jemand, der nicht allzu oft im steileren Gelände unterwegs ist, habe ich vor allem das letzte Stück den Nasenweg runter noch gespürt. Außerdem war es sehr warm – je nach Standort hatte es in Wien am Montag maximal 27 bis 29 Grad. Insofern habe ich ein wenig mit mir gerungen – soll ich oder soll ich nicht – und mich dann letztlich aus dem Bauch heraus für „ich soll“ entschieden. Kurz nach 16 Uhr war alles erledigt, was ich mir für diesen Arbeitstag vorgenommen hatte und ich bin in meine Laufkluft geschlüpft. Für das warme Wetter war ich gerüstet, hatte meine Laufweste und meine 1,5 Liter-Trinkblase mit. Bei diesen Temperaturen kein Wasser dabei zu haben, wäre ja schließlich äußerst unvernünftig. So, und dann stand ich also beim Waschbecken, wollte die Trinkblase befüllen und dachte mir „hm, komisch, da fehlt doch irgendwas“. Und nach wenigen Sekunden des intensiven Nachdenkens, was das denn sein könnte, ereilte mich die Erkenntnis, dass ich schlauerweise den Trinkschlauch daheim vergessen hatte. Oh. mein. Gott. Eigentlich hätte ich die ganze Aktion nun abbrechen sollen – blöd gelaufen, manchmal hat man eben Pech. Allerdings war ich ja eigentlich schon in Aufbruchsstimmung, war bereits umgezogen und mit dem Hintergedanken, dass ich in den kommenden drei Wochen vermutlich keine Zeit für eine Bezirksumrundung haben würde, habe ich mich einer folgenschweren Gleichgültigkeit hinsichtlich der frühsommerlichen Bedingungen hingegeben. „Wird schon Trinkbrunnen geben“ war mein Mantra, mein gedanklicher Strohhalm.

Für die Anreise wäre die Kombination U4/U6 möglich gewesen, aber die Vorstellung, mich am Rückweg komplett verschwitzt in eine möglicherweise voll besetzte U-Bahn zu zwicken, war nicht sehr verführerisch. Hinzulaufen war auch keine Option, weil die Runde würde mindestens 18,1 Kilometer lang sein und dann noch 7 bis 8 Kilometer draufzupacken, um zur Bezirksgrenze bzw. zurück ins Büro zu gelangen, war mir schlicht und ergreifend zu viel. Insofern war letztlich mein Rad das Verkehrsmittel meiner Wahl. Mit ein wenig Bauchweh, muss ich zugeben. Nicht wegen der Fahrerei, sondern weil ich ehrlich gesagt nur ungern mein Rad an öffentlichen Plätzen abstelle. Mir persönlich ist das zwar noch nie passiert, aber man hört ja recht oft von Rädern, die plötzlich nicht mehr da waren. Da ich mir aber eigentlich nicht vorstellen konnte und kann, dass jemand so dreist ist, ein abgesperrtes Rad am helllichten Tag direkt vor einem gut frequentierten Kebab-Imbiss beim Ausgang einer U-Bahn-Station zu fladern, habe ich es dann aber als ausreichend sicher befunden, mein Rad an der Ecke Jörger Straße/Hernalser Gürtel abzustellen.

Ich bin die Runde gegen den Uhrzeigersinn gelaufen, dh zunächst den Gürtel entlang, bis zur Döblinger Hauptstraße runter, dann folgte ein U-Turn auf die andere Straßenseite und ein kleines Stückerl den Gürtel wieder rauf, weil entlang der tatsächlichen Grenze mitten durch den Häuserblock zu laufen war nicht wirklich möglich. Dann ging es in den Währinger Park und hier habe ich mich gleich einmal bei der ersten Gelegenheit das erste Mal vertan und bin einen falschen Weg gelaufen, so 30 bis 40 Meter neben dem eigentlich geplanten Weg. Gut, soll sein, wegen dem kleinen Versatz wollte ich nicht wieder zurücklaufen, egal. Hier wäre übrigens ein Trinkbrunnen gewesen – diesen habe ich allerdings nicht angesteuert, weil zu diesem Zeitpunkt war ich weit davon entfernt, durstig zu sein und die Runde war ja noch lang, eine Trinkpause also eigentlich verfrüht.

Währinger Park (links) und Türkenschanzpark (rechts).

Weiter ging es zum Türkenschanzpark. Auch hier hätte es drinnen mehrere Trinkbrunnen gegeben, aber diese Abweichung von meiner Route wollte ich nicht in Kauf nehmen, also bin ich planmäßig außen herumgelaufen. Die Gegend war recht nett und angenehm, kein Vergleich zu den Wohnsilos und Industriegegenden, an denen ich letzten Donnerstag vorbeigelaufen bin. Seitdem ich dem Gürtel den Rücken zugekehrt hatte, ging es stetig bergauf und die große Schwitzerei war bereits im Gange, insofern war ich ganz froh, dass ich es, nachdem ich das Hauptgebäude der BOKU erblickte, endlich (weiter den Türkenschanzpark entlang) ein wenig bergab rollen lassen konnte…Moooment, so hatte ich das aber gar nicht Erinnerung. Meine Vorahnung wurde durch einen Blick auf die Route bestätigt, also wieder retour zu der fälschlicherweise genommenen Abzweigung, weiter ging es auf der Peter-Jordan-Straße, vorbei an der BOKU und am Döblinger Friedhof.

Das Hauptgebäude der BOKU.

Immer weiter rauf schraubte sich dann die Route, vorbei am Pötzleinsdorfer Friedhof, bis ich dann irgendwann den Neustifter Friedhof erreicht hatte. Dort bin ich dann schmerzhafterweise wieder falsch abgebogen und umsonst ein Stück die nochmal deutlich steilere Pötzleinsdorfer Höhe raufgezappelt. Nach wenigen Minuten habe ich diesen Fehler bemerkt, bin zähneknirschend wieder zurückgelaufen und auf der anderen Seite des Neustifter Friedhofs weitergelaufen. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Trinkbrunnen bereits höchst willkommen gewesen – ich war in der prallen Sonne unterwegs und hatte bereits viel Schweiß vergossen. Nicht ahnend, dass sich an dieser Stelle (ich hab das im Nachhinein überprüft) tatsächlich ein Trinkbrunnen befindet, den ich aber leider nicht gesehen habe, bin ich weitergelaufen, den Sommerhaidweg rauf bis zur Höhenstraße. Nach der planmäßigen Abzweigung in den Wald hinein wurde es dann in weiterer Folge recht abenteuerlich.

Mein Weg ins Abenteuer.

Zunächst ging es einen Waldweg entlang, bis ich dann quasi angestanden bin. Es hätte nun nämlich ein Weg gerade rauf auf den Michaelerberg führen sollen. Meiner Meinung nach habe ich alle verfügbaren Optionen überprüft, aber dieser Weg hat sich mir nicht offenbart. Möglicherweise war der „Eingang“ zugewachsen, keine Ahnung. Ich bin dann, laut Route ein paar Meter neben dem eigentlichen Weg, durch den Wald raufmarschiert. Ab hier war es dann für einige Zeit komplett unlaufbar – sehr steil (teilweise über 30% Steigung), sehr unwegsam und unfreiwilligerweise musste ich mir für ein paar Minuten einen Weg durchs Dickicht bahnen. Und weil ich keine Pflanzen niedertreten wollte, war ich dabei auch noch so umsichtig und vorsichtig wie möglich – und entsprechend langsam unterwegs. Irgendwann konnte ich den Weg dann doch finden und bin hier weiter marschiert bzw. gelaufen (je nachdem, was gerade möglich war).

Teilweise waren Wege da, teilweise nicht, steil war es so oder so.

Weiter ging es über einen Hohlweg bzw. ein paar enge und singletrailartige Waldwege runter, bis ich beim Kleingartenverein Michaelerwiese wieder einmal vor einer verschlossenen Tür stand – kein Durchkommen. Eigentlich hätte ich südlich der Anlage laufen müssen – die Bezirksgrenze verläuft unmittelbar „darunter“. Im Winter oder im Spätherbst wäre es vielleicht möglich, sich außerhalb der Umzäunung durchzuschlagen – jetzt, wo alles zugewuchert ist, eher nicht. Ich bin also oben herum gelaufen. Die Abweichung (etwa 40 Meter) von der eigentlichen Bezirksgrenze war aber verschmerzbar bzw. mir in diesem Moment egal. Danach folgte der letzte große Anstieg rauf auf den Schafberg, wiederum (für mich) nicht mehr laufbar mit Steigungen deutlich über 20%.

Weg rauf auf den Schafberg und Blick von oben runter auf Wien.

Ein kleines Routenmissverständnis gab es auch auf diesem Anstieg, aber ohne große Konsequenzen (ein kleines ungeplantes Eck bin ich halt gewandert). Ein paar Minuten später bin ich wieder angestanden, diesmal beim Eingang des Kleingartenvereins Bergfriedsiedlung. Also wieder außen herum eine Wiese runter. Unten bin ich dann direkt auf der Josef-Redl-Gasse weitergelaufen. Ein kleines Eck der Bezirksgrenze habe ich hier ausgelassen – diese verläuft nämlich durch Grünflächen runter bis zur Kreuzwiesengasse und dann auf dieser wieder rauf zur Josef-Redl-Gasse. Im Vorfeld bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass man hier private Grundstücke durchqueren müsste, weswegen ich diesen Teil verworfen habe und in meinem mittlerweile dehydrierten und ziemlich fertigen Zustand war ich nicht mehr geistesgegenwärtig genug, um das zu überprüfen. Jedenfalls war meine Erleichterung groß, als ich kurz später das hier entdeckt habe:

Juhu!

Endlich etwas trinken zu können, war natürlich wie Balsam für meinen geschundenen Körper, aber an meinem Zustand hat das nun auch nichts mehr geändert. Ich hatte ursprünglich gedacht, dass ich es ab hier – es ging nun fast nur mehr bergab zurück zum Startpunkt – ordentlich rollen lassen kann. Daraus wurde aber nichts, mehr als ein Jog of Shame war nicht mehr drinnen. Zunächst bin ich beim Schafbergbad vorbeigelaufen, dann zwischen einigen weiteren Kleingartensiedlungen hindurch, beim nächsten Friedhof dieser Runde vorbei (dem Gersthofer Friedhof nämlich) – hier war dann die endgültig letzte Steigung der Runde zu bewältigen – und dann habe ich mich zurückgeschlängelt zum Startpunkt und dabei auch noch den Hernalser Friedhof tangiert. In den letzten Minuten hatte ich nur einen Gedanken: „Hoffentlich ist mein Rad noch da, hoffentlich ist mein Rad noch da, hoffentlich ist…“. Es war noch da.

Ein letztes Mal warten bei der Ampel, bevor die Runde in the books war.

Unterwegs war ich knapp 2 1/2 Stunden, wovon ich laut meiner Uhr 2:20:15 Stunden gelaufen bin. Die getrackte Distanz war mit 20,23 Kilometer um nicht weniger als 2,1 Kilometer länger als ursprünglich gedacht, was eine Pace von 6:56 min/km ergibt. An sich ist mir die Pace ja wirklich egal – es geht bei dieser ganzen Aktion um das Erlebnis und nicht um irgendwelche sportlichen Ziele – und durch die Kombination von Hitze und den zahlreichen Anstiegen und Gehpassagen war eh von Anfang an klar, dass ich dieses Mal deutlich langsamer unterwegs sein würde. Die längere Strecke dürfte passen – wenn ich die diversen Umwege aus dem GPS-Track rausrechne und addiere, komme ich tatsächlich auf ungefähr 2 Kilometer. Ich glaube aber, dass ich tatsächlich wesentlich länger gestanden bin als nur knapp 10 Minuten – zu den Stehzeiten bei Ampeln sind ein paar Fotopausen, zwei längere Trinkpausen (kurz vor dem Ende bin an einem weiteren Trinkbrunnen vorbeigelaufen) und einige Orientierungspausen in der „Wildnis“ gekommen. Insofern glaube ich fast, dass hier und eigentlich auch bei den 11 vorangegangenen Runden die von meiner Uhr bzw. von Strava berechnete Pace eher so etwas wie eine obere Schranke ist. Ein paar Abweichungen von der exakten Grenze musste ich schon hinnehmen, teilweise waren die unvermeidlich, teilweise ist wohl die GPS-Ungenauigkeit schuld und die Straßenseiten hätte ich ein paar Mal wechseln können (z.B. auf der Höhenstraße), um genauer auf der Grenze zu sein. Die beiden Versäumnisse, wenn man sie so nennen will, waren wie erwähnt ganz am Anfang das Eck im Währinger Park (im nachfolgenden Bild rechts zu sehen) und ich hätte zumindest den Teil auf der Kreuzwiesengasse nachlaufen können (eher links zu sehen, links neben der Beschriftung „Schafbergbad“). Jo mei, damit kann ich einerseits leben, andererseits kann ich diese Streckenabschnitte bei den Umrundungen von Hernals und Döbling nachholen, jetzt weiß ich ja schon, worauf ich hier achten muss.

Exakte Bezirksgrenze (in rot) und mein GPS-Track (in blau).

Wie auch immer, der Lauf war schon eine ordentliche Qual. Im Nachhinein bin ich einerseits froh, dass ich mich dafür entschieden habe, nochmal würde ich das so aber nicht machen. Außerdem sind die Umrundungen mittlerweile so lang, dass ich auf jeden Fall mit vollen Speichern loslaufen sollte. Bis zum Start habe ich an diesem Tag zu wenig (und nicht das richtige) gegessen und vielleicht einen halben oder dreiviertel Liter Wasser getrunken…viel zu wenig. Das alles war nicht sehr gescheit. Ansonsten hat die Runde gehalten, was sie versprochen hat. Die mehrheitlich steilen Trail-Passagen in den Ausläufern des Wienerwaldes haben es tatsächlich in sich. Die nächsten Runden werden diesbezüglich zumindest ähnlich sein, teilweise aber auch deutlich heftiger. Abgesehen davon, dass es ziemlich anstrengend war, hat mir zumindest die Hälfte der Runde aber sehr gut gefallen. Auf den Teil am Gürtel und den letzten Abschnitt zurück zum Startpunkt könnte ich verzichten, aber der Rest war auf jeden Fall eine Laufreise wert. Und, um den Kreis quasi zu schließen, nochmal zu den alternativen Titeln dieses Blog-Eintrags. Die ersten beiden bedürfen wohl keiner weiteren Erklärung. „Running up that hill“ ist wortwörtlich zu verstehen und hat nichts mit irgendeiner Interpretation des gleichnamigen Kate Bush-Liedes zu tun. Und das trifft auch auf die letztgenannte Titel-Alternative zu. Im Lied von Voodoo Jürgens geht es ja um…naja…keine Ahnung, worum es da eigentlich geht, aber ich beziehe mich da eher darauf, dass die Anzahl der passierten Friedhöfe schon bemerkenswert war – 6 waren es, den Jüdischen Friedhof am Anfang habe ich gar nicht erwähnt. Deswegen.

Jetzt folgt ziemlich sicher eine Bezirksumrundungspause von knapp drei Wochen – diese Woche geht sicher nix mehr, nächste Woche geht höchstwahrscheinlich nix, und übernächste Woche bin ich auf einer Konferenz. Im Kalender ist der 12. Juni bereits fett angestrichen als jener Tag, an dem es mit Ottakring weitergeht! Ich weiß schon, was ich mir gönne, wenn ich damit fertig bin!

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