Drittmittel – Was? Wie? Woher?

Wenn man an einer Uni als Wissenschafterin oder Wissenschafter Karriere machen möchte, braucht man dafür Geld. Im besten Fall hat man selbst eine fixe Anstellung und muss keine Existenzängste haben. Es gibt aber, das sei auch erwähnt, genügend (vor allem junge) Kolleginnen und Kollegen, die laufend Gelder aufstellen müssen, um sich sozusagen ihr eigenes Gehalt zu finanzieren. Eine gewisse Naivität oder sogar Ignoranz dem durchaus möglichen Scheitern gegenüber ist da kein Nachteil. Gehen wir aber einfach mal davon aus, dass die eigene Position gesichert ist, wie auch immer. Allerdings wird man als Einzelkämpfer im stillen Kämmerlein keine Chance haben, großes Aufsehen in der Welt der Wissenschaft zu erregen, dafür braucht es schon deutlich mehr. (Wo)manpower zum Beispiel. Und wenn man Forschung betreibt, die nicht mittels eines 08/15-Computers zu realisieren ist, sondern diverse Gerätschaften oder ganze Labors benötigt, muss das alles ja ebenfalls bezahlt werden.

Hm, schwierig, schwierig. Wo kommt das ganze Geld für Personal und Geräte nun her? Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld?

So ganz grundsätzlich gibt es an der Uni mal etwas, was sich Globalbudget nennt. Das einer Uni vom Bund zur Verfügung gestellte Budget – das sind die (leider zu geringen) Summen, die im Herbst 2022 immer wieder in den Medien genannt wurden – wird quasi von oben nach unten verteilt, nach variierenden Schlüsseln und Kriterien, sodass im Endeffekt alle Organisationseinheiten und die einzelnen Institute ebenfalls zu einem jährlichen Budget kommen, mit dem der Betrieb zu gewährleisten und somit auch das fixe Personal zu bezahlen ist. Damit ist mehr oder weniger der Grundstock an Personen, die benötigt werden, um Administration und Lehre abzuwickeln, finanziert. Manchmal werden auch zusätzliche Geldmittel innerhalb der Unis ausgeschrieben, im Rahmen von Anschubfinanzierungen (quasi für einen begrenzten Zeitraum bereitgestellte Geldspritzen, die der Etablierung neuer Forschungsgruppen oder -initiativen dienen), Projektausschreibungen oder für die Einrichtung und den Ausbau von Laboranlagen. Dafür muss man sich in der Regel bewerben und je nachdem, wieviele das tun, ist es (selten) leicht oder (meistens) schwierig, an diese Budgetmittel zu kommen. Darüber hinaus heißt es die Ärmel hochzukrempeln, beherzt in die Hände zu spucken und sich auf den Kampf um zusätzliche Gelder einzulassen, die sogenannten Drittmittel. Und ja, dieser martialische Ausdruck ist durchaus berechtigt, weil es ist wirklich ein Kampf.

Drittmittel heißen so, weil sie von außenstehenden Institutionen, die im Forschungs- und Universitätsbetrieb keine unmittelbare oder aktive Rolle spielen, quasi unabhängig sind von den Unis, bereitgestellt werden. Diesen Begriff kennt man vielleicht aus anderen Bereichen – z.B. werden oftmals nicht-EU-Mitgliedsstaaten als Drittländer bezeichnet, wenn es um irgendwelche multilateralen Verträge oder Abkommen geht, die von der EU initiiert wurden, an denen aber auch Länder beteiligt sind, die nicht Mitglied der EU sind. Die Begrifflichkeit wäre also geklärt. Jetzt kommen wir zur entscheidenden Frage: Wie funktioniert das? Welche „Dritten“ sind bereit, den Unis finanziell unter die Arme zu greifen? Nun, das lässt sich nicht in drei Sätzen beantworten – das Förderwesen in der Forschung kann man durchaus als Dschungel bezeichnen, in dem man sich auf Anhieb kaum zurecht finden kann. Eine erste Differenzierung ist dabei möglich hinsichtlich der Herkunft der Drittmittel. Einerseits gibt es Unternehmen aus der Privatwirtschaft, die sich die akademische Forschung zu Nutze machen möchten, um bestimmte Fragestellungen zu erörtern, die im privatwirtschaftlichen Umfeld eben nicht zu beantworten sind (aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und/oder fehlender Expertise). Andererseits gibt es nationale und internationale Organisationen und Körperschaften, deren ausschließliche Aufgabe es ist, Forschungsbudgets aufzuteilen.

Beginnen möchte ich mit der Privatwirtschaft als Sponsor akademischer Forschung. Hier sind die Mechanismen relativ einfach erklärt. Ein Beispiel: Das Unternehmen XY möchte den Herstellungsprozess von einem bestimmten Produkt optimieren und beauftragt ein für diese Problemstellung kompetentes Institut (oder eine Forschungsgruppe), sich dieser eingehend zu widmen. Sowas kann im Rahmen von Diplomarbeitsprojekten passieren – hier wird dann üblicherweise eine vergleichsweise kleine Aufwandsentschädigung bezahlt – oder aber mittels längerfristiger Kooperationen, wodurch dann z.B. über einige Jahre das Gehalt von Doktorandinnen oder Doktoranden bezahlt werden kann. Wie auch immer der formale Rahmen solcher Kooperationen definiert ist, ob diese kurz- oder langfristig angelegt sind und egal, wie der Kontakt hergestellt wurde, funktionieren sie grundsätzlich folgendermaßen: der Projektpartner aus der Privatwirtschaft gibt die Problemstellung vor, der akademische Projektpartner überlegt sich, wieviel Budget notwenig ist, um zufriedenstellend Lösungen zu erarbeiten und wenn beide einverstanden sind, wird ein Kooperationsvertrag aufgesetzt und los geht’s. Easy. Gerade an den technischen Universitäten gibt es für diese Art der Projektfinanzierung zahlreiche Beispiele und Erfolgsgeschichten.

Die andere Finanzierungsquelle ist wesentlich schwieriger anzuzapfen. Und zwar geht es dabei um die zuvor genannten Forschungsförderungsorganisation und -körperschaften. In Österreich gibt es im Wesentlichen (ich hoffe, ich vergesse nichts) den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), den Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Christian Doppler Forschungsgesellschaft, die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LPG) und dann gibt es von den Bundesländern auch immer wieder entsprechende Ausschreibungen. International gesehen stehen Forschungseinrichtungen mit dem Standort Österreich sämtliche Förderprogramme der Europäischen Union zur Verfügung – und da gibt es sehr viele. EU-weit werden für längere Zeiträume sogenannte Rahmenprogramme erarbeitet – das aktuelle heißt Horizon Europe und gilt für den Zeitraum 2021-2027 – im Rahmen derer bestimmte Schwerpunkte angeboten werden. Wer sich bezüglich der (nationalen und internationalen) Möglichkeiten informieren möchte, kann z.B. die Webseite der FFG besuchen (https://www.ffg.at) oder jene der Europäischen Kommission (https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/programmes/horizon). Ich werde jetzt nicht im Detail auf die einzelnen Programme und Ausschreibungen eingehen, sondern wieder nur grundsätzlich skizzieren, wie diese funktionieren. Einerseits gibt es industrienahe Ausschreibungen, mittels derer Kooperationen zwischen Industriepartnern und akademischen Forschungseinrichtungen gefördert werden. Mit „Industriepartner“ meine ich übrigens ganz allgemein Unternehmen aus dem privatwirtschaftlichen Bereich. Diese zu gewinnen, wenn ein Industriepartner an Bord ist, ist vergleichsweise einfach oder zumindest einfachER. Allerdings muss sich so eine Zusammenarbeit erstmal ergeben – der Industriepartner muss nämlich oftmals auch eigene Geldmittel zur Verfügung stellen. Andererseits gibt es noch das weite Feld von Förderprogrammen, die für Grundlagen- und angewandte Forschung vorgesehen sind und in denen Industriepartner nicht zwingenderweise vorkommen müssen. Manche Ausschreibungen sind thematisch offen, andere geben die zu fördernden Inhalte recht genau vor. In manchen Fällen ist eine laufende Einreichung möglich, dann gibt es aber auch wieder Ausschreibungen, die bis zu genau definierten Deadlines offen sind. Außerdem gibt es Förderschienen, welche die Förderung von Einzelpersonen zum Ziel haben, und solche, welche der Finanzierung von Konsortien dienen. Klingt alles sehr verwirrend? Ich widerspreche nicht, die obigen Links geben einen Einblick in die Details.

Jedenfalls sind, wenn man bei einer der genannten Ausschreibungen mitmachen möchte, zum jeweiligen Forschungsvorhaben Forschungsanträge zu schreiben. Das sind in der Regel – je nach formalen Vorgaben (an die man sich peinlichst genau zu halten hat) – Dokumente mit einem Umfang von 20 bis 80 Seiten, in denen folgende Dinge zu beschreiben sind: Was ist die Motivation für das Forschungsvorhaben? Inwiefern ergänzt oder erweitert es den Stand der Technik? Wie lauten die Hypothesen und Ziele? Welche Methoden werden eingesetzt? Welchen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen (in technologischer und auch gesellschaftlicher Hinsicht) wird dieses Projekt haben? Warum ist die Forscherin oder der Forscher bzw. das Konsortium geeignet, diese Problemstellung zu bearbeiten? Und dann sind das Arbeitsprogramm, das vorgeschlagene Budget, Ethik- und Gender-Aspekte genauestens darzulegen. Anknüpfend an diese Überschriften, die bei so gut wie jeder Ausschreibung so oder so ähnlich verlangt werden, gibt es dann noch detaillierte Anforderungen, auf die im Antrag Bezug genommen werden muss. Dieses relativ starre Korsett ist notwendig, um eine Vergleichbarkeit der eingereichten Anträge zu gewährleisten. Die Gutachterinnen und Gutachter sind außerdem aufgefordert, die Erfüllung dieser Punkte zu prüfen. Insofern ist von einer kreativen Strukturierung eines Forschungsantrags eher abzuraten. Einen solchen Antrag zu schreiben ist eine Sache, die einiger Erfahrung bedarf. Letztlich muss der Antrag als Ganzes und jeder Satz für sich nahezu perfekt sein und dem Zweck dienen, die gewünschte Botschaft zu transportieren. Platz für Füllsätze gibt es normalerweise nicht. Der Text muss einfach genug geschrieben sein, damit er auch für Gutachterinnen und Gutachter, die nicht in genau der Nische, auf die das Projekt abzielt, zu Hause sind, gut lesbar ist. Andererseits darf der Antrag keine Angriffsfläche bieten, dass sich das Konsortium oder die beantragende Person nicht bestens auskennt im jeweiligen Fachgebiet. Die lesende Person muss sich an jeder Stelle des Antrags (trotz der Komplexität des Forschungsvorhabens und des Antrags selbst) zurechtfinden, weil jede Verwirrung, jede Notwendigkeit des Hin- und Her-Blätterns zu einer schlechteren Bewertung führen könnte. Eines muss einem nämlich klar sein: die Erfolgschancen sind ernüchternd gering. Sie variieren von Förderschiene zu Förderschiene bzw. von Ausschreibung zu Ausschreibung, aber Förderquoten von 10% und (manchmal deutlich) weniger sind eher die Regel als die Ausnahme. Das bedeutet umgekehrt, dass Einzelpersonen oder ganze Konsortien mehrere Arbeitswochen investieren und in mindestens 9 von 10 Fällen war das im Endeffekt umsonst. Klingt frustrierend? Ja, genau, das ist es mitunter auch.

Letztlich ist es bis zu einem gewissen Ausmaß auch reine Glückssache. Nehmen wir an, dass im Rahmen einer Ausschreibung 100 Anträge eingereicht wurden, aber nur 5 gefördert werden (weil für dieses Thema eben nicht mehr Budget bereitgestellt wurde). Und nehmen wir weiters an, dass 25 Anträge objektiv gesehen (so gut das eben geht) alle Kriterien erfüllen. Das bedeutet, dass nur ein Fünftel dieser Anträge, die mehr oder weniger alle gleich gut sind, gefördert werden – ganz so wird es wohl nicht sein, weil natürlich immer eine Reihung aufgrund irgendwelcher Kriterien möglich ist, aber nehmen wir an, dass es so ist. Welche Projekte gefördert werden, kommt also auf die subjektive Wahrnehmung der Gutachterinnen und Gutachter an, im Endeffekt also auf Meinungen, manchmal auf Willkür, vielleicht sogar – im schlechtesten Fall – auf strategische oder politische Überlegungen. Man kann natürlich argumentieren, dass man halt manchmal Glück und meistens Pech hat. Und viel mehr ist dem auch nicht hinzuzufügen, auch wenn das nicht wirklich befriedigend ist.

Ein Aspekt, den man in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen sollte, ist langfristige Planung. Selbst wenn man die besten Ideen hat, wird einem keine Förderstelle der Welt Geld geben, solange man zum Zeitpunkt der Antragstellung nichts vorzuweisen hat, also zum Beispiel Publikationen zum jeweiligen Thema oder frühere (erfolgreiche) Projekte. Karriereplanung ist hier ein wichtiges Stichwort. Als junger Postdoc sollte man also so bald wie möglich versuchen, kleine Projekte zu gewinnen, die einem ein wenig später genug Glaubwürdigkeit verleihen, um bei größeren Ausschreibungen aussichtsreich mitmachen zu können. Und so weiter. Wenn man es in der Frühphase also nie schafft, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein (und die richtige Projektidee in der Tasche zu haben), wird es später nicht unbedingt leichter. Ebenfalls wichtig ist das langfristige Schmieden von Allianzen und Pflegen guter Beziehungen zu Forscherinnen und Forschern im europäischen Raum – Konsortien aus dem Boden zu stampfen ist ohne diese Basis nämlich nicht so einfach.

Bei all diesen Schwierigkeiten und Problemen könnte man schnell den Mut verlieren. Nichtsdestotrotz glaube ich persönlich schon, dass man seinen Weg finden kann. Man muss „nur“ in die richtige Richtung gehen (d.h. gute Ideen haben), vielleicht eine Taschenlampe dabei haben (gutes und effektives Mentoring hilft vor allem in der Frühphase der Karriere enorm) und, wenn man mal die richtige Tür gefunden hat, kann es notwendig sein ein wenig länger anzuklopfen (manchmal muss man Ablehnungen in Kauf nehmen, daraus lernen und es erneut versuchen). Für mich selbst bricht gerade eine Phase des Schreibens eines Antrags an, die kommenden Wochen werden wohl intensiv. Sehr intensiv. Ich sehe mich schon die Nächte um die Ohren schlagen. Es kann also gut sein, dass ich in den nächsten Wochen nicht allzu viel Kreativität und Zeit in diesen Blog investieren kann. Schau ma mal…

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