Sag, ihr habt’s den ganzen Sommer Ferien, oder?

Zwei oder eher zweieinhalb Wochen über Weihnachten, den ganzen Februar, zwei Wochen über Ostern und dann vor allem drei Monate(!) im Sommer…ein Wahnsinn, die ganzen Ferien an der Uni. Da soll sich bitte niemand, der dort studiert oder arbeitet, über irgendwas beschweren bei so viel Freizeit.

Es gibt gar nicht so wenige Leute, die tatsächlich glauben, dass es so oder so ähnlich an den Unis zugeht. Die Realität sieht aber anders aus. In den allermeisten Fällen zumindest. Zunächst mal ist das mit den Ferien eine Frage der Begrifflichkeit. Man kann diese Zeiträume tatsächlich hochoffiziell als Ferien bezeichnen – z.B. ist hier eine Auflistung unter exakt dieser Überschrift zu finden, welche für die TU Wien im Studienjahr 2022/2023 gilt: https://www.tuwien.at/studium/zulassung/akademischer-kalender/studienjahr-2022-23 (an den anderen Unis wird das wohl sehr ähnlich aussehen). Allerdings hat die Bezeichnung „Ferien“ lediglich für die Studierenden Relevanz und sogar hier ist sie eigentlich ein wenig irreführend. Eine alternative, meiner Meinung nach wesentlich besser geeignete Bezeichnung lautet „lehrveranstaltungsfreie Zeit“. Wenn man es ganz genau nimmt, stimmt diese auch nicht zu 100%, aber zumindest trifft sie den Nagel wesentlich besser auf den Kopf. Vor allem ist sie allgemeiner gültig.

Fangen wir mit den Studierenden an. Eine sehr große Hürde für viele Erstsemestrige (wobei ich damit nicht nur das erste, sondern vielmehr die ersten paar Semester meine) ist der Übergang von der Schule, an der einem eher mehr als weniger genau gesagt wird, was man wann wie zu machen hat, hin zur Universität, an der nicht in allen, aber zumindest in vielen Fällen die Fähigkeit der eigenverantwortlichen Organisation und Prioritätensetzung vorausgesetzt wird. Natürlich gibt es Deadlines, Prüfungstermine und andere Fristen – auf dem Weg zu diesen Terminen wird aber niemand an die Hand genommen. Damit tun sich am Anfang viele schwer, weil es natürlich immer leichter ist, eine schwere Prüfung auf den nächsten Termin zu verschieben. Oder den übernächsten. Oder ins nächste Semester. Oder gleich ans Ende des Studiums. Gleichermaßen ist es so, dass nach dem Ende des Sommersemesters die Versuchung recht groß sein kann, sich für einen bestimmten Zeitraum (der, wenn man nicht diszipliniert genug ist, ganz schnell länger und länger wird) erstmal auszurasten und es sich gut gehen zu lassen. Das ist auch völlig ok. Letztlich muss man großzügige eher am Hedonismus orientierte Phasen, wenn überhaupt, höchstens den eigenen Eltern gegenüber rechtfertigen, zumindest wenn diese als Sponsoren auftreten. Wenn ich meinen persönlichen Zugang als Student sowie das, was ich damals so aus meinem Umfeld mitbekommen habe (bzw. auch, was ich heutzutage am Rande so mitbekomme) als Maßstab heranziehe, sind diese Phasen üblicherweise aber eher kurz. Ansonsten lautet(e) die Strategie meistens so: ein paar Wochen ausspannen und vielleicht auf Urlaub fahren, dann zumindest einen Monat lang arbeiten (einerseits um Praxis zu sammeln, andererseits um sich z.B. Urlaube leisten zu können) und dann spätestens ab Ende August lernen, lernen, lernen für die Prüfungen am Anfang des kommenden Wintersemesters. Und teilweise finden auch in den „Ferien“ Prüfungen statt bzw. sind gegen Ende des Studiums Projekte oder Abschlussarbeiten auszuarbeiten. Wenn man ein Studium also ernsthaft betreibt, bleibt nicht besonders viel Zeit für ein ausgeprägtes Lotterleben.

So, und jetzt zu meiner Zunft, also zu jenen Uni-Angestellten, die im Lehr- und Forschungsbetrieb tätig sind. Hier will ich ein wenig weiter ausholen und umreißen, was „wir“ eigentlich machen. Grundsätzlich gibt es zwei wesentliche Säulen im Uni-Alltag: Lehre und Forschung. Der Lehrbetrieb umfasst Aufgaben, die man sich wahrscheinlich auch dann ganz gut vorstellen kann, wenn man noch nie eine Uni von innen gesehen hat; Vorlesungen halten, Prüfungen ausarbeiten und verbessern, Projekt- und Abschlussarbeiten vergeben und betreuen, solche Dinge eben. Teilweise durchaus ähnlich wie in der Schule, nur halt auf Hochschulniveau. Und man versucht nicht (kleinen oder großen) Kindern etwas beizubringen, sondern (mehrheitlich) jungen Erwachsenen. Abgesehen davon unterscheiden sich die Rahmenbedingungen natürlich schon von jenen in der Schule, teilweise eklatant. Den größten Aufwand in der Lehre hat man offenkundig während der Unterrichtszeiten, also außerhalb der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Nichtsdestotrotz beschäftigt die Lehrenden die Lehre manchmal auch dann, wenn sie eigentlich gerade Pause hat – z.B. wenn Lehrveranstaltungen zu überarbeiten oder überhaupt neu aufzusetzen sind, weil dafür ein gewisser Vorlauf notwendig ist. Die Betreuung von Projekt- und Abschlussarbeiten möchte ich da eigentlich fast ausklammern. Die damit verbundenen Tätigkeiten kommen zwar den betroffenen Studierenden zugute, allerdings werden im Zuge dieser Arbeiten (zumindest in meinem Bereich) oftmals kleinere Forschungsfragen behandelt und diese somit im Rahmen von Forschungsprojekten abgewickelt. Und das bringt mich auch gleich zur zweiten Säule der akademischen Welt, der Forschung. Diese findet ganzjährig statt, immer (und macht in heißen Phasen auch vor Wochenenden, Feiertagen und Urlauben nicht Halt). Das bedeutet, dass man im Sommer bzw. prinzipiell in der lehrveranstaltungsfreien Zeit einerseits versucht, Projekte voranzutreiben, Projektanträge zu schreiben und Publikationen abzuschließen. Das ist im Normalfall genug Aufwand, um die Zeit, in der die Lehre keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, doppelt und dreifach mit Arbeit zu füllen. Andererseits finden im Sommer viele Konferenzen statt. Ist man im Konferenzbusiness aktiv dabei (und es ist gerade ausreichend Reisebudget vorhanden), kann es schon sein, dass man den halben Sommer unterwegs ist – und nein, das sind keine von der Uni finanzierten Urlaube, das ist großteils schon Arbeit (dazu ein anderes Mal mehr). Es gibt im Sommer in der Forschung also mehr als genug zu tun.

Und dann gibt es noch jene Gruppe, die sich „allgemeines Universitätspersonal“ nennt. Hier habe ich eigentlich keinen unmittelbaren Einblick, aber gehen wir ein paar der Abteilungen durch. Poststelle: Post kommt immer. Bibliothek: im Sommer ist vielleicht weniger los, aber Bücher werden immer ausgeborgt (und im besten Fall auch zurückgebracht). Gebäudetechnik: die haben sogar eher mehr zu tun, wenn die Hörsäle leer sind. Sicherheitsdienst: auch für diesen ändert sich nichts in der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Prüfungs- und Studienabteilung: die dieser Abteilung zugeordneten Angestellten sind vielleicht die einzigen, welche während der Ferien weniger zu tun haben (mutmaße ich mal). Andererseits sind jene Phasen auch die einzigen Gelegenheiten, um Prozesse zu optimieren und Umstrukturierungen vorzunehmen. Und alle anderen Abteilungen einer Uni, deren Aufgaben weder in der Lehre noch in der Forschung liegen, sind in Wahrheit unbeeinflusst von der An- oder Abwesenheit der Studierenden.

Heißt das, dass man, wenn man an einer Uni angestellt ist, immer arbeitet? Selbstverständlich nicht. So wie jeder andere (österreichische) Arbeitgeber auch, gewähren die Unis – je nach vertraglicher Situation und Lebensarbeitszeit – fünf oder sechs Wochen Urlaub pro Jahr. Während der Haupturlaubszeit im Sommer sind die Büros ein wenig leerer, so wie das halt überall ist.

So, und jetzt wird vielleicht jemand diesen Text lesen (sofern diesen Text überhaupt irgendjemand liest) und sagen „Moment mal, ich kenne den Professor XYZ, und der hackelt im Sommer genau gar nix“. Naja, also ehrlich gesagt kann das schon sein. Es gibt durchaus Kolleg_innen, die sehen sich in erster Linie als Hochschullehrer_innen und forschen so gut wie nicht. Diese sind aber eher „Auslaufmodelle“ und mehr und mehr in der Minderheit – das war vor 20 oder 30 oder mehr Jahren möglicherweise noch anders. Jedenfalls wäre es völlig falsch, aus diesen Ausnahmen sowas wie einen Regelfall zu konstruieren.

Ich hoffe, und damit komme ich nun zum Ende, dass ich mit diesem Beitrag die Mär des ferienreichen Lebens der Uni-Angestellten entkräften konnte, weil das ist halt einfach ein Blödsinn. Ich persönlich bin schon öfter darauf angesprochen worden und wahrscheinlich geht das vielen meiner Kolleg_innen so.

Also, wir sind voll fleißig. Echt!

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